ESG Rating – Was bringt die Zukunft für Unternehmen und Anwaltskanzleien?

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Ein Beitrag von Carina Stiglbauer

Überschwemmungen, Hitzewellen, Korruptionsskandale und der Einsturz der Kleidungsfabrik Rana Plaza, bei dem über 1.100 Menschen starben – Organisationen haben eine Verantwortung der Gesellschaft gegenüber! Durch effektive Maßnahmen können Organisationen einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Umweltsituation und der sozialen Lage leisten und dadurch zugleich ihre Reputation verbessern und sich als attraktive Arbeitgeber:innen positionieren.  

Nicht alle Unternehmen bzw Anwaltskanzleien haben eine eigene HR-Abteilung, jedoch gibt es eine Reihe von HR-Maßnahmen, die zur Erfüllung der ESG-Ziele umgesetzt werden sollten. Daher sollten sich Unternehmen bzw Kanzleien überlegen, wer diese Aufgaben übernehmen kann und im Idealfall qualifizierte Personen intern einstellen und/oder sich externe Berater:innen zur Seite holen.  

Doch was ist ESG eigentlich? ESG steht für Environmental (Umwelt), Social (Soziales), Governance (Geschäftsführung). Diese drei Bereiche bilden das Fundament für ein nachhaltiges Wirtschaften von Unternehmen. Durch zunehmende (Europäische) Gesetzgebung werden sich Organisationen immer mehr mit dem Thema ESG beschäftigen müssen. HR-Maßnahmen können einen wichtigen Beitrag zur Erreichung von ESG-Zielen leisten!  

Daher wäre jetzt ein guter Zeitpunkt sich darüber Gedanken zu machen! In Zeiten des Fachkräftemangels können sich Unternehmen von ihren Mitbewerbern und Mitbewerberinnen abheben. Und auch für Geschätspartner:innen und Kunden bzw Kundinnen wird dieses Thema immer wichtiger. Doch was können Personalisten bzw Personalistinnen tun? 

Es ist wichtig, dass sich Werte wie etwa Nachhaltigkeit, Mitarbeitergesundheit, Diversität und Transparenz in der Unternehmenskultur finden und dass auch die Geschäftsleitung hinter diesen steht. Gelebte Werte sind wichtig und nicht nur Werte, die sich in der Onboardingmappe oder im Intranet finden. Dadurch können sich Organisationen als „grüne und soziale Arbeitgeber:innen“ am Markt positionieren.  

Im Folgenden finden sich einige Maßnahmen, gegliedert nach den drei Bereichen Environmental (Umwelt), Social (Soziales), Governance (Geschäftsführung). 

1. Environmental (Umwelt): 

Unternehmen und Anwaltskanzleien können bereits im Recruiting auf Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein achten. Bei den Stellenausschreibungen sollte bereits auf diese Werte hingewiesen werden, um Talente anzuziehen, denen diese Werte ebenso wichtig ist. Durch die Einstellung von Menschen mit dem gleichen „grünen Mindset“ verändert sich die Unternehmenskultur nachhaltig. Auch sollte beim Vorstellungsgespräch darauf geachtet werden, dass CO2 vermieden wird, wie etwa der Verzicht Bewerber:innen für ein Erstgespräch aus anderen Ländern einzufliegen, sondern auf Videokonferenz-Tools auszuweichen.  

Auch beim Onboardingprozess sollten die Werte wieder aufgegriffen werden, etwa wenn sich die Geschäftsführung vorstellt, damit auch klar zum Ausdruck kommt, dass auch diese hinter den Werten steht. Weiters kann durch Umstellung auf digitale Arbeitsweisen, wie etwa eine Online-Onboardingmappe und einen digitalen Personalakt der Papierverbrauch reduziert werden. Unternehmen und Anwaltskanzleien können auch beim Thema Compensation & Benefits das Thema Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein aufgreifen, indem sie individuelle Ziele und Unternehmensziele darauf ausrichten. Auch können Zuschüsse zu öffentlichen Verkehrsmitteln gewehrt werden und Homeoffice bzw Telearbeit gefördert werden, um den Pendlerverkehr und somit den CO2 Ausstoß zu reduzieren.  

2. Social (Soziales): 

Unternehmen und Anwaltskanzleien – in denen regelmäßig auch viel gearbeitet wird – sollten auf die physische und psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter:innen achten. Es ist wichtig ein Bewusstsein zu schaffen, dass Gesundheit und Erholung wesentlich sind. Neben der Einführung von Sport- und Entspannungsmöglichkeiten (Vergünstigungen bei Sportaktivitäten, Yoga-Kurse, Massagen, etc) sollte auch ein Fokus auf gesundes Essen und Zeitnehmen beim Mittagessen gelegt werden (wie etwa Essensgutscheine für Lokale mit regionalen Produkten oder eine eigene Kantine).  

Diversität und Inklusion spielen eine zentrale Rolle beim Thema ESG. Es soll Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit gefördert werden. Auch darf niemand aufgrund von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung, Alter oder sexueller Orientierung diskriminiert werden. Wichtig ist auch, dass darauf geachtet wird, dass sich der Frauenanteil in Führungspositionen erhöht. Das kann durch Mentoringprogramme, Frauenförderungsprogramme und ein gutes Karenzmanagement erreicht werden. Entscheidend ist auch hier, dass es wirklich ernst gemeint und gelebt wird. Insbesondere die Anwaltei ist für viele Frauen, die eine Familie planen, sehr unattraktiv. Leider bestehen immer noch gesetzliche Rahmenbedingungen, die nachteilig für Mütter sind; daher sollten sich Anwaltskanzleien umso mehr bemühen hier gegenzusteuern. Es ist eine Maßnahme, um Frauen auch langfristig in der Anwaltskanzlei zu halten. 

3. Governance (Geschäftsführung):  

Rechtskonformes und ethisches Verhalten steht im Vordergrund. Daher sollte es auch bei den wichtigen Prozessen, wie Entlohnung, Beförderungen, Disziplinarmaßnahmen sowie arbeitgeberseitige Beendigungen von Dienstverhältnissen klare Regeln geben, die auch kommuniziert werden. Die Kenntnis und Einhaltung von rechtlichen Bestimmungen sind essenziell. Ein rechtskonformes Verhalten (keine Diskriminierung, keine Arbeitszeitüberschreitungen, etc) minimiert das Prozessrisiko (für zB eine Diskriminierungsklage oder auch Verwaltungsstrafen, selbst vor strafrechtlicher Verfolgung) und sind somit auch finanziell für die Organisation von Vorteil.  

Bei den ESG-Kriterien ist es wichtig, dass präzise und messbare Daten erhoben werden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sensibilisiert und geschult werden. HR hat daher eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung von ESG-Kriterien. Unternehmen und Anwaltskanzleien sollten sich mit ESG eher früher als später auseinandersetzen, da es immer mehr (europäische) Regelungen gibt und diese Themen für Bewerber:innen, Geschäftspartner:innen sowie Kunden und Kundinnen immer wichtiger werden.  

Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen bei ESG-Ratings

Die Bedeutung von ESG-Ratings nimmt stetig zu, doch gleichzeitig mehren sich kritische Stimmen bezüglich ihrer Transparenz und Vergleichbarkeit. Viele Investmentprofessionals bemängeln die fehlende Standardisierung der Bewertungsmethoden und die mangelnde Konsistenz zwischen verschiedenen Anbietern von ESG-Ratings. Dies erschwert es Unternehmen und Investoren, fundierte Entscheidungen zu treffen. 

EU-Initiativen zur Regulierung von ESG-Ratings 

Die Europäische Union arbeitet aktiv daran, die Integrität und Transparenz von ESG-Ratings zu verbessern. Es gibt Bestrebungen, Anbieter von ESG-Ratings zukünftig strenger zu regulieren und einer Aufsicht durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zu unterstellen. Diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, die Vergleichbarkeit und Verlässlichkeit von ESG-Ratings zu erhöhen und Anlegern die Bewertung der Nachhaltigkeit von Geschäftsmodellen zu erleichtern. 

Neue Standards für Nachhaltigkeitsberichterstattung 

Mit der Einführung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) sind Unternehmen ab dem 1. Januar 2024 verpflichtet, detailliertere und standardisierte Nachhaltigkeitsberichte zu erstellen. Dies soll die Transparenz und Vergleichbarkeit von ESG-Daten verbessern und Stakeholdern ein besseres Verständnis der nachhaltigen Praktiken eines Unternehmens ermöglichen. 

Greenwashing-Vorwürfe unterstreichen Handlungsbedarf 

Fälle von Greenwashing, wie die jüngsten Vorwürfe gegen die Deutsche-Bank-Tochter DWS, die zu einer Strafe der US-Börsenaufsicht führten, zeigen den dringenden Bedarf an strengeren Kontrollen und klaren Standards. Solche Vorfälle untergraben das Vertrauen in ESG-Ratings und betonen die Notwendigkeit für Unternehmen, echte und überprüfbare Nachhaltigkeitspraktiken zu implementieren. 

Erfolgreiche ESG-Strategien von Unternehmen: Vorbilder für nachhaltiges Handeln

Microsoft: Klimaneutralität als Ziel 

Microsoft strebt an, bis 2030 kohlenstoffnegativ zu sein und bis 2050 mehr Emissionen zu entfernen, als seit 1975 erzeugt wurden. Durch Investitionen in erneuerbare Energien und Partnerschaften wie mit Volt Energy soll bis 2025 der gesamte Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden. 

NVIDIA Corporation: Nachhaltige Technologieentwicklung 

NVIDIA setzt auf 100 % erneuerbare Energien für den weltweiten Stromverbrauch und entwickelt Technologien zur Wettervorhersage und Emissionsreduktion, die sowohl dem Unternehmen als auch globalen Umweltproblemen zugutekommen. 

Unilever: Nachhaltigkeit im Kerngeschäft 

Mit dem “Sustainable Living Plan” zielt Unilever darauf ab, bis 2030 vollständig erneuerbare Energien zu nutzen, Null-Abfall-Standorte zu erreichen und die Gesundheit von über einer Milliarde Menschen zu verbessern, während die Umweltauswirkungen minimiert werden. 

Capital A: Netto-Null-Emissionen bis 2040 

Capital A, ehemals AirAsia Group, plant Netto-Null-Emissionen bis 2040 zu erreichen. Durch eine Netto-Null-Roadmap und die Integration von ESG-Aspekten in die Geschäftsstrategie zeigt das Unternehmen sein Engagement für nachhaltiges Wirtschaften. 

IKEA: Nachhaltige Lieferketten 

IKEA nutzt mit IWAY einen Lieferanten-Verhaltenskodex, um soziale und ökologische Verantwortung sicherzustellen. Kernarbeitsrechte, Arbeitssicherheit und Umweltmanagement stehen dabei im Fokus. 

H&M: Förderung der Kreislaufwirtschaft 

Durch das Projekt “Let’s Close the Loop” fördert H&M die Wiederverwendung von Materialien. Kunden können alte Kleidung zurückgeben, die als Rohstoff für neue Produkte dient, was Abfall reduziert und nachhaltigen Konsum fördert. 

Über die Autorin: 

Carina Stiglbauer

Mag. Carina Stiglbauer, MSc (KCL), MA, ist Personalberaterin und Arbeitsrechtsexpertin. Sie sammelte Erfahrung als Rechtsanwaltsanwärterin mit Spezialisierung auf Arbeitsrecht sowie als Unternehmensjuristin und Personalistin in nationalen und internationalen Unternehmen. Zuletzt leitete sie die Abteilung Personal und Recht eines Dienstleistungsunternehmens. Derzeit ist sie als selbständige Unternehmensberaterin und Personalvermittlerin tätig. Sie absolvierte das Studium der Rechtswissenschaften, legte die Rechtsanwaltsprüfung am OLG Wien ab und schloss zwei Masterstudien im Bereich Personalmanagement ab. Zudem ist sie Autorin beim Linde Verlag. 

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