WTF is No-Code…… und was bringt das?
22. März 2022
Muss man programmieren können, um ein Legal Tech Tool zu erstellen? Nein, sagt der Wiener Rechtsanwalt Alexander Skribe, Partner bei Skribe Rechtsanwälte und CEO der No-Code Plattform www.unoy.io. In seinem Bericht beschreibt er, wie er selbst zum Thema No-Code gekommen ist, seine No-Code Plattform erstellt hat und welche Potentiale er in dieser Entwicklungsplattform zukünftig sieht.
Als ich vor einigen Jahren auf der Suche nach neuen Tech-Trends für die weitere Digitalisierung unserer Kanzlei war, stolperte ich erstmals über den Begriff „No-Code“. Ich war sofort fasziniert, und gleichzeitig ahnungslos: „WTF ist No-Code? Und was bringt das?“. Die Recherche begann – und damit auch eine Innovation.
Die Ausgangslage: Digitalisierung ist kein IT-Projekt
Wir sind als Kanzlei auf Massenverfahren, insbesondere im Bereich Fluggastrechte, spezialisiert. Um die enorme Masse an Aufträgen erfolgreich abwickeln zu können, waren wir bereits seit unseren Anfängen im Jahr 2010 auf den Einsatz von Legal-Tech Strategien angewiesen. Mit der Auftragslage und den Herausforderungen wuchs auch unsere Expertise: Strukturierte Datenverarbeitung, RPA (Robot Process Automation) oder Dokumentenerkennung gehörten bei uns bald zum Arbeitsalltag. In Zusammenarbeit mit unserem Partner und eigenen Entwickler*innen*innen, hatten wir faktisch also alles im IT-Projekt umgesetzt, doch für jede Änderung oder Neuentwicklung waren wir zusätzlich auf ein Softwareprojekt angewiesen. Dabei stellte insbesondere die Zusammenarbeit von Jurist*innen und Techniker*innen jedes Mal aufs Neue eine Herausforderung dar. Die Fortschritte waren langsam, zeit- und kapitalintensiv. Der Abstimmungsaufwand im Team war groß. Außerdem könnte die Kluft zwischen den Unternehmenskulturen nicht größer sein: Jurist*innen auf der einen, Techniker*innen auf der anderen Seite – Kommunikationsschwierigkeiten waren vorprogrammiert. Die Entwicklungen schienen unverhältnismäßig viel Zeit in Anspruch zu nehmen und die komplexe Interaktion zwischen Jurist*innen und Techniker*innen ließ uns oftmals an unserem Projekt (ver-)zweifeln.
Schnell reifte die Erkenntnis, dass die umfassende Digitalisierung einer Kanzlei weit über das hinausgeht, was man so hinlänglich in einem klassischen IT-Projekt abbilden kann. Es geht bei der Digitalisierung um zentrale Funktionen einer Kanzlei und die damit verbundene rechtliche Dienstleistung selbst. Die IT spielt dabei eigentlich eine Nebenrolle. Daher sind die Methoden des klassischen IT-Projekts dafür nicht wirklich geeignet. Zudem sind Entwickler*innen heutzutage schwer zu finden. Und: Es motiviert sie nicht, in kleineren Unternehmen zu arbeiten.
Die Lösung war also naheliegend: Do it yourself. Wir haben uns kurzerhand dazu entschieden, als Jurist*innen auch die Digitalisierung zu übernehmen. Nach dem Motto: Dann werden wir eben zu Legal-Engineers! Programmieren zu lernen war allerdings für mich und auch für meine Jurist*innen keine Option. Im Zuge meiner Recherchen stieß ich auf die No-Code Methode und auch schon auf einige Anbieter.
No-Code: die Lösung für die anstehende Digitalisierung
Was macht also eine No-Code Software so besonders? Softwareanwendungen müssen programmiert werden. Zu diesem Zweck werden Codes oder ganze Codeblöcke geschrieben und zu den jeweiligen Zwecken eingesetzt. Den Möglichkeiten sind kaum Grenzen gesetzt – der Komplexität jedoch ebenso wenig. Eine No-Code Software stellt gleichsam fertige (Code-)Bausteine zur Verfügung, um Softwareanwendungen oder Softwaremodule nach gewissen Kriterien durch einfaches Zusammenklicken zu bauen. Wer schon einmal mit LEGO-Bausteinen gespielt hat, hat ein Bild dazu. Meist baut man einen Logikbaum (Expertensystem). Die No-Code Software ist webbasiert und die Anbieter übernehmen auch gleich die erforderlichen Schritte zur Veröffentlichung der Software über einen Webbrowser. Die End User können die im No-Code Verfahren erstellte Software mit einem normalen Browser verwenden. Über Schnittstellen sind die No-Code Lösungen in andere Software integrierbar.
Dieses Konzept gefiel uns grundsätzlich gut und schien für unsere Bedürfnisse geeignet. Wir gingen also in die Testphase und mussten bald feststellen, dass uns bei jedem Anbieter irgendein Puzzleteil fehlte.
Es hieß also wieder, die Sache selbst in die Hand nehmen. So entwickelten wir unser eigenes Konzept: Eine online No-Code Plattform für Knowledge Work Automation – oder kurz: UNOY, ausgesprochen wie You know why.
UNOY ist eine besonders von Unternehmen und Expert*innen nutzbare Online-Plattform, die in der finalen Ausbaustufe aus drei Säulen besteht:
- No-Code Designer, mit dem Expert*innen ihr Fachwissen im No-Code Verfahren digitalisieren können
- Y-Academy, um Expert*innen in Sachen No-Code zu trainieren und
- einem Store, über den sie ihr digitalisiertes Wissen verwertet werden kann
No-Code Software in der Anwendung in unserer Kanzlei
Nachdem wir die Frage „Was ist das?“ nun geklärt haben, beantworten wir noch die Frage „Was bringt das?“. Am wichtigsten: Die No-Code Software hilft mir als Experte bei der Digitalisierung meiner Kanzlei, ohne den Umweg eines Softwareprojekts. Mit dem No-Code Designer digitalisiere ich mein juristisches Wissen. Das Ergebnis ist ein Modul, das ich sofort im Web veröffentliche. Drei Klicks – und fertig. UNOY übernimmt alle notwendigen Schritte.
Claimdaten und Massenverfahren
Ein Einsatzgebiet in unserem Daily Businessist die Abwicklung von Massenverfahren. Mittels der Module sammeln wir Anspruchsdaten, selektieren automatisch Anspruchsberechtigte aus und erhalten strukturierte Daten für die weitere automatische Bearbeitung mit unserer Anwaltssoftware. Diese Module werden von uns mit dem UNOY-Designer erstellt, das Fachwissen transformiert und in weiterer Folge laufend gewartet. Wir verwenden für das Look & Feel vorhandene Designs oder lassen UNOY Vorlagen erstellen. Die technische Einbindung in andere Software und Datenbanken erfolgt wieder durch Techniker*innen. Alle drei Beteiligten arbeiten unkompliziert über die Plattform zusammen und schaffen so ein digitales Produkt.
Auf diese Weise konnten wir die Entwicklungszeit maximal verkürzen und die Kosten enorm senken. Was für uns aber am wichtigsten ist: Wir haben unser ursprüngliches Ziel, nämlich die Digitalisierung unserer Kanzlei, erreicht – und das mit Freude! Dieser Fortschritt macht Lust auf mehr.
Die digitale Kanzlei – für unsere Klienten
Kosten- und Zeitersparnis sind wesentliche Vorteile für unsere Arbeit. Aber welchen Benefit haben unsere Kund*innen durch die Digitalisierung unserer Kanzlei? Was zeichnet eine digitale Kanzlei aus?
Nun, nach meiner Vorstellung funktioniert eine digitale Kanzlei folgendermaßen: Legal Engineers bauen Rechtsprodukte, Vertrags- und Dokumentgeneratoren und warten diese, ohne die IT-Abteilung einbinden zu müssen. Die Kund*innen können einerseits digital betreut werden und wenn notwendig (oder erwünscht) greift der Anwalt oder die Anwältin persönlich ein. Wir digitalisieren so den Kern unserer Tätigkeit, ohne die Qualität und Wertigkeit einer persönlichen Klienten-Beziehung zu verlieren.
Legal-Module für unsere Klienten
Als digitale Kanzlei bauen und warten wir für Unternehmen aller Größen speziell angepasste Module für Verträge, Claimsmanagement, Informationssystem, Organisation, Kanalisierung und Strukturierung von Anfragen und deren automatisierte Beantwortung. Wir schaffen damit neue Produkte und erschließen eine neue Service-Kategorie. Eine Besonderheit von UNOY ist, dass das Fachwissen in den Modulen auch dokumentiert wird. Fachexpert*innen sind dadurch in der Lage, das dem Modul zugrundeliegende Fachwissen nachzuvollziehen. Für Unternehmen hat das den besonderen Vorteil, dass durch Abgang eines Mitarbeiters nicht auch gleich das Wissen verloren geht.
Zusammenfassung und Ausblick
Meiner Ansicht nach ist die No-Code Software DAS Tool, um einen Großteil der Digitalisierungsaufgaben der nahen Zukunft im Rechtsbereich zu ermöglichen. Eine andere Form der Digitalisierung wird aufgrund fehlender Developer nicht in diesem Ausmaß möglich sein. An diesem Punkt kann No-Code den Fachexpert*innen dazu verhelfen, diese Lücke zumindest teilweise zu schließen.
Meine Vision? In Zukunft bauen Unternehmen und Expert*innen über Plattformen wie UNOY wissensbasierte Module und nutzen diese unternehmensintern. Fachexpert*innen können über Stores ihr digitalisiertes Wissen weltweit anbieten und in Form von Modulen verkaufen.
Nehmen wir an, ein internationaler Konzern möchte wissen, wie ein bestimmtes Konzernprodukt in verschiedenen Staaten auf der Verpackung zu kennzeichnen ist. Der herkömmliche Weg heute: Es wird eine Großkanzlei mandatiert, die das entsprechend ausarbeitet. Der Weg der Zukunft: Der Inhouse Counsel baut sein Verpackungs-Modul einfach selbst. Er oder sie findet über die UNOY-Plattform die geltenden von Expert*innen entwickelten Module und bindet diese in seine Plattform ein. Der Experte ruft entweder für Einbindung seines Moduls oder dessen Verwendung einen Preis auf. Über die Plattform findet das Unternehmen Expertinnen und Experten, die in der Lage sind, länderspezifische Module zu entwickeln und diese einzubinden. So entsteht eine Applikation aus mehreren, miteinander verbunden Modulen. Diese Applikation kann dann im Unternehmen ausgerollt werden. Die digitalisierten Inhalte werden von Fachexpert*innengebaut, ohne aufwändiges IT Projekt dank einer No-Code Plattform.