10 Jahre Women in Law Jubiläum: Birgit Ringhofer-Grand im Interview

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“Frauen bringen einzigartige Fähigkeiten & Perspektiven mit, die für den Erfolg eines Unternehmens entscheidend sein können”

Ein Interview mit Birgit Ringhofer-Grand

Wie schafft man es, in einer oft männerdominierten Branche zu bestehen und dabei innovative Impulse zu setzen? Mag. Birgit Ringhofer-Grand lebt es vor. Ihre Kariere begann in einer Wiener Anwaltskanzlei, führte über Spezialisierungen in Insolvenz-, Immobilien- und Immaterialgüterrecht bis hin zu ihrer jetzigen Rolle als strategische Gesamtprojektleiterin bei den Wiener Linien. Nun gibt sie uns wertvolle Einblicke in die besonderen Herausforderungen, denen sie begegnete, und wie sie diese meisterte. „Frauen müssen ihre einzigartigen Stärken nutzen und sich nicht an männliche Führungsstile anpassen“, betont sie. Ihr Appell an junge Juristinnen: „Bleiben Sie neugierig und fokussiert.“ Ein Gespräch, das zeigt, wie Leidenschaft, Beharrlichkeit und ein starkes Netzwerk den Weg zum Erfolg ebnen.

Wie haben Sie sich Ihre Position in der juristischen Branche erarbeitet und welche spezifischen Herausforderungen mussten Sie als Frau überwinden?

Herausforderungen und Erfolge: Die juristische Welt ist anspruchsvoll und dynamisch. Meine Erfolge verdanke ich primär meiner hohen intrinsischen Motivation, meiner Beharrlichkeit und meinem Durchhaltevermögen. Ich habe mich nicht nur auf das theoretische Wissen beschränkt, sondern auch praktische Fähigkeiten entwickelt, um komplexe Fälle zu lösen. Dabei habe ich gelernt, dass Fehler ein natürlicher Teil des Lernprozesses sind und uns letztlich stärker machen.

Die Herausforderung als Frau: Als Frau in der juristischen Branche sehe ich mich mit besonderen Erwartungen und Bewertungen konfrontiert. Frauen werden oft kritischer beobachtet und beurteilt als Männer. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir uns tendenziell weniger Fehler erlauben dürfen. Dennoch habe ich mich nicht von diesen Stereotypen einschränken lassen. Stattdessen habe ich mich darauf konzentriert, meine Arbeit mit höchster Professionalität zu erledigen und mich durch harte Arbeit und Kompetenz zu beweisen.

Fazit: Mein Erfolg in der juristischen Branche beruht auf meiner Leidenschaft für den Job, meiner intrinsischen Motivation und meiner ständigen Weiterbildung. Ich bin stolz darauf, als Frau meinen Platz in dieser herausfordernden Umgebung gefunden zu haben und freue mich darauf, weiterhin zu wachsen und zu lernen.

Welche Maßnahmen oder Unterstützungen halten Sie für essenziell, um die Karriereentwicklung von Frauen in der Rechtsbranche zu fördern?

Es ist unerlässlich, dass wir uns aktiv für eine gleichberechtigte und vielfältige Arbeitswelt einsetzen. Hier sind einige essenzielle Maßnahmen und Unterstützungen, die dazu beitragen können:

Flexible Arbeitsbedingungen und Kinderbetreuung: Flexibilität ist wichtig, aber es sollte nicht nur auf Frauen beschränkt sein. Wir müssen sicherstellen, dass sowohl Frauen als auch Männer die Möglichkeit haben, Familie und Beruf zu vereinbaren. Kinderbetreuung sollte als gemeinsame Verantwortung angesehen werden, unabhängig vom Geschlecht. Unternehmen können flexible Arbeitszeiten, Telearbeit und Elternzeitregelungen anbieten, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Die Wienerlinien sind auf diesem Gebiet Vorreiter.

Gezielte Vorbereitung auf Führungsaufgaben: Frauen sollten proaktiv auf Führungsaufgaben vorbereitet werden. Dies kann durch gezielte Schulungen, Mentoring-Programme und Coaching erreicht werden. Es ist wichtig, Frauen zu ermutigen, sich für Führungspositionen zu bewerben und ihre Fähigkeiten zu stärken. Die Wiener Linien beispielsweise fördern gerade auch Frauen gezielt, etwa um die Frauenquote im technischen Bereich zu erhöhen.

Förderung von weiblichen Stärken: Frauen bringen oft einzigartige Fähigkeiten und Perspektiven mit, die für den Erfolg eines Unternehmens entscheidend sein können. Diese weiblichen Stärken sollten gefördert und geschätzt werden. Dazu gehören u.a. Empathie, Kommunikationsfähigkeit, Teamarbeit und Intuition.

Diversität in Führungsfunktionen: Unternehmen sollten aktiv darauf hinwirken, dass Frauen in Führungspositionen vertreten sind. Dies kann durch Quotenregelungen, transparente Auswahlprozesse und gezielte Nachfolgeplanung erreicht werden. Vielfalt in der Führungsebene führt zu besseren Entscheidungen und Innovation. Bei Wiener Linien sind beispielsweise Frauen bei gleicher Qualifikation zu bevorzugen, um das Verhältnis von Frauen und Männern in Führungspositionen anzugleichen.

Vermeidung von Stereotypen: Geschlechterstereotype sollten überwunden werden. Frauen müssen und sollen sich nicht an einen überzeichneten männlichen Führungsstil anpassen oder sich daran orientieren, sondern sollten ihre individuellen Stärken einbringen können. Eine Kombination aus weiblichen und männlichen Eigenschaften kann das Optimum für ein Unternehmen darstellen.

Fazit: Die Förderung der Karriereentwicklung von Frauen erfordert ein ganzheitliches und inklusives Vorgehen. Es geht bei weitem nicht nur um flexiblere Arbeitsbedingungen, sondern auch um die Anerkennung und Wertschätzung der individuellen Beiträge, die Frauen in (Führungs-)Positionen leisten können.

Wie bewältigen Sie die Balance zwischen beruflichen Anforderungen und privatem Leben, und welche Tipps würden Sie anderen Frauen in ähnlichen Situationen geben?

Selbstmanagement und Prioritäten setzen: Effektives Selbstmanagement ist der Schlüssel. Ich versuche mich auf jene Aufgaben zu konzentrieren, die den größten Einfluss auf meine persönlichen und beruflichen Ziele haben.

Grenzen setzen und Nein sagen lernen: Ich musste selbst auch erst lernen Grenzen zu setzen; so muss beispielsweise nicht zwingend jede Aufgabe angenommen und nicht an jeder Besprechung teilgenommen werden. Dies stärkt nicht nur die eigene Gesundheit, sondern auch die eigene Professionalität.

Investition in die Zukunft: Vorwegschicken möchte ich, dass ich Mutter einer sehr gelungenen und erfolgreichen Tochter bin; dem klassischen Mutterbild, dass im konventionellen Österreich offenbar tief verankert ist, konnte ich nie etwas abgewinnen. Bis auf wenige Monate habe ich immer in Vollzeit gearbeitet. Sehr gute Kinderbetreuung und die richtig Schulwahl waren dabei mitentscheidende Investitionen in die Zukunft, sowohl für die meiner Tochter als auch für meine eigene – und da meine ich nicht nur die eigene Karriere. Ich habe mir das etwas kosten lassen, weil es mir das wert war.

Achten auf den Energiehaushalt: Wichtig ist es mir, mir höchstpersönliche Zeitnischen zum Kraft tanken zu schaffen bzw. mir diese zu bewahren. Natur und Kreativität sind hier meine ganz persönlichen Kraft- und Energiequellen.

Fazit: Die Balance zwischen Beruf und Privatleben ist individuell und erfordert ständige Anpassung.

Inwiefern hat sich Ihrer Meinung nach die Situation bezüglich Diversität und Inklusion in der österreichischen Rechtsbranche in den letzten Jahren verändert?

In den letzten Jahren hat sich die Situation tatsächlich verändert, und es gibt einige positive Entwicklungen:

Bewusstsein und Wahrnehmung: Das Bewusstsein für Diversität und Inklusion ist gestiegen. Immer mehr Menschen und Unternehmen erkennen die Bedeutung von Vielfalt am Arbeitsplatz und setzen sich aktiv dafür ein. Zumindest die größeren Unternehmen und Organisationen haben begonnen, gezielt Maßnahmen zu ergreifen, um eine inklusive Arbeitsumgebung zu schaffen. Beispielsweise gibt es bei den Wiener Linien hierzu laufend Schulungen und Kampagnen.

Vielfalt als Bereicherung: Diversität wird nicht mehr nur als gesetzliche Verpflichtung gesehen, sondern als Bereicherung für Teams und Unternehmen. Unterschiedliche Perspektiven führen nachweislich zu kreativeren Lösungen und besseren Entscheidungen. In vielen Ländern wird dieser Umstand von Analysten bereits bei der Bewertung von Unternehmen berücksichtigt.

Sprachkompetenz als Herausforderung: In einer globalisierten Welt, in der Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenarbeiten, ist die Beherrschung der Landessprache wichtig; ich sehe hier gerade im Rechtsbereich aktuell noch die größte Herausforderung. Kolleginnen und Kollegen, die trotz anderer Muttersprache exzellente Deutschkenntnisse erworben haben, verdienen ganz besondere Anerkennung.

Welche konkreten Schritte sollte Ihre Branche unternehmen, um ein inklusiveres Arbeitsumfeld zu schaffen?

Weitere Schritte: Es ist generell wichtig, dass Unternehmen auch in Zukunft Maßnahmen ergreifen, um Diversität und Inklusion zu fördern. Dies kann beispielsweise durch Schulungen, Sensibilisierungskampagnen und transparente Prozesse geschehen.

Fazit: Die österreichische Rechtsbranche hat Fortschritte gemacht. Wir sollten die Vielfalt als Stärke sehen und uns gemeinsam für eine inklusive Arbeitswelt einsetzen. Diese Aufgabe sollte als Weg und nicht als Ziel begriffen werden, da andernfalls Diversität und Inklusion nicht nachhaltig sichergestellt werden kann.

Welche technologischen Veränderungen haben Ihrer Meinung nach den größten Einfluss auf die Rechtspraxis gehabt?

Die technologische Entwicklung hat die Rechtspraxis in den letzten Jahrzehnten stark beeinflusst und wird dies auch weiterhin tun. Hier sind einige Meilensteine und aktuelle Entwicklungen, die m.E. einen großen Einfluss auf die juristische Arbeit hatten:

Einführung von EDV-unterstützten Systemen: Die Einführung von Computern und elektronischer Datenverarbeitung (EDV) hat die Effizienz zunächst in der Korrespondenz und Buchhaltung erheblich gesteigert. Anwält:innen und Kanzleien konnten so ihre Arbeitsabläufe optimieren.

Wissensdatenbanken und Online-Recherchetools: Mit der Verfügbarkeit von elektronischen Wissensdatenbanken und Online-Recherchetools haben Jurist:innen Zugriff auf umfangreiche Rechtsliteratur, Urteile und Kommentare. Dies beschleunigt die Recherche und ermöglicht fundierte Entscheidungen.

Elektronischer Rechtsverkehr: Die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs hat die Kommunikation zwischen Gerichten, Anwält:innen und Behörden digitalisiert. Dies umfasst elektronische Akten, Eingaben und Zustellungen.

Kollaborative Arbeitsweisen und digitale Signatur: Moderne Tools ermöglichen eine effiziente Zusammenarbeit, sei es innerhalb einer Kanzlei, eines Unternehmens oder zwischen verschiedenen Parteien. Die digitale Signatur gewährleistet einen rechtsgültigen digitalen Abschluss von (formpflichtigen) Verträgen und die digitale Unterfertigung sonstiger (formpflichtiger) Dokumente.

KI und automationsunterstützte Vertragserstellung: Die Weiterentwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen verspricht enorme Fortschritte in der Zukunft. So werden integrierte und selbstlernende Systeme künftig z.B. in einem Arbeitsschritt Verträge (weitgehend) automatisiert erstellen, die aktuelle Rechtslage analysieren und mögliche Fehler(quellen) erkennen können.

Fazit: Die Zukunft der Rechtspraxis liegt in der intelligenten Nutzung von Technologie. Die Kombination aus menschlichem (Fach-) Wissen und technologischer Unterstützung wird zu Qualitätssicherung, -verbesserung, Effizienzsteigerung und beschleunigten Abläufen führen.

Welche Chancen und Risiken sehen Sie in der zunehmenden Digitalisierung der Rechtsdienstleistungen?

Zu den Chancen siehe das vorhergehende Fazit. Risiken entstehen insbesondere dann, wenn sich einzelne Menschen oder sogar ganze Organisationen nur auf Technologien verlassen und angemessene, kundige menschliche Kontrolle bestenfalls erst beim Auffallen von Problemen erfolgt. Die Risiken selbstlernender KI dürfte darüber hinaus noch erheblich weitreichender sein.

Wie wichtig war das Mentoring in Ihrer Karriere und können Sie ein prägendes Erlebnis mit einem Mentor oder einer Mentorin teilen?

Mentoring in meiner Karriere: Das Mentoring in meiner beruflichen Entwicklung hat weitgehend darin bestanden, dass mir – insbesondere auch seitens der Wiener Linien – eine Vielzahl an großartigen Ausbildungen ermöglicht wurde. Im Nachhinein betrachtet, hätte ich mir ergänzend einen persönlichen Erfahrungsaustausch mit erfahrenen Führungskräften gewünscht. Auf diesem Gebiet hat sich jedoch in den letzten Jahren sehr viel getan und ist das Angebot heute deutlich größer als früher.

Was sind Ihrer Meinung nach die Schlüsselelemente für ein erfolgreiches professionelles Netzwerk in der juristischen Branche?

Ich bezweifle, dass es hier in den grundsätzlichen Ansätzen große Unterschiede zu anderen Branchen gibt; ganz allgemein empfehle ich:

  • Authentizität: Authentisch bleiben und echtes Interesse an den Menschen zeigen, mit denen man sich vernetzen möchte. Networking sollte nicht nur aufnehmen, sondern auch geben.
  • Qualität vor Quantität: Es ist besser, wenige, aber starke Beziehungen zu haben, als viele oberflächliche Kontakte. Konzentrieren auf relevante Personen.
  • Online und offline: Nutzen sozialer Medien (insbesondere LinkedIn) sowie persönliche Treffen und der Besuch einschlägiger Veranstaltungen. Beides kann wertvoll sein.
  • Kontinuität: Regelmäßiges Pflegen von Beziehungen. Zeigen von Interesse an den Entwicklungen der Kontaktpersonen.

Wie sind Sie an den Aufbau Ihres eigenen Netzwerks herangegangen und welche Strategien haben sich als besonders effektiv erwiesen?

Hier sind einige effektive Strategien, die ich beim Aufbau meines eigenen Netzwerks verwendet habe:

  • Ziele definieren: Überlegen, warum man netzwerken möchten. Möchte man die Karriere vorantreiben, Geschäftspartner finden oder das Wissen erweitern?
  • Kontaktpflege: Pflegen der Beziehungen von Beginn an und zeigen von Interesse an den Entwicklungen der Kontaktpersonen.
  • Plattformen auswählen: Auswählen der richtigen Plattformen für das eigene Networking. LinkedIn ist ein Muss, aber auch berufsständische Netzwerke sind wertvoll.
  • Qualität über Quantität: Fokussieren auf relevante Veranstaltungen und Personen. Wenige starke Beziehungen sind wertvoller als viele oberflächliche Kontakte.
  • Geben und Nehmen: Bedenken, dass es beim Networking nicht nur darum geht, zu nehmen, sondern auch zu geben. Es geht daher auch um das Anbieten von Unterstützung und das Teilen von Wissen. Der Aufbau eines Netzwerks erfordert demnach Zeit und Geduld.

Welche Ratschläge würden Sie jungen Juristinnen geben, die gerade ihre Karriere in einer überwiegend männlich dominierten Branche beginnen?

Fokussieren: Fokussieren Sie sich auf das wirklich Wesentliche; verfolgen Sie ihre persönlichen und beruflichen Ziele. Evaluieren Sie regelmäßig Ihre Ziele.

Lernen aus Fehlern: Betrachten Sie Fehler als wichtige Lernfelder. Bedenken Sie die Bedeutung des Wissens über eigenen Schwächen und fehlendes oder mangelhaftes Wissen, denn dieses Wissen ermöglicht es Ihnen, zeitgerecht Lösungen zu finden und Fehler zu vermeiden.

Selbstbewusstsein aufbauen: Arbeiten Sie an Ihrem Selbstbewusstsein und ihrem Auftreten. Überlegen Sie sich, wie Sie wahrgenommen werden wollen.

Bilden eines starken Netzwerks: Vernetzen Sie sich mit Kolleginnen und Kollegen, tauschen Sie Erfahrungen aus und unterstützen Sie einander, denn ein gutes Netzwerk ist wertvoll.

Neugierig bleiben: Die juristische Welt ist vielfältig. Lernen Sie ständig dazu und bleiben Sie offen für neue Perspektiven. Schauen Sie über den Tellerrand. Begeben Sie sich regelmäßig in den Perspektivenwechsel und beschäftigen Sie sich damit, was Ihre Auftraggeber*innen und Führungskräfte für Ihre Entscheidungsfindung von Ihnen benötigen (und welche Informationen unnötig und somit überflüssig sind).

Interviewpartnerin:

Mag. Birgit Ringhofer-Grand begann ihre Karriere in einer Wiener Rechtsanwaltskanzlei, wo sie als Studentin an einer internen Rechtsdatenbank mitarbeitete. Nach dem Studium spezialisierte sie sich in den Bereichen Insolvenz-, Immobilien- und Immaterialgüterrecht. Bei den Wiener Linien leitete sie später als Abteilungsleiterin die Bereiche Recht und Immobilien und förderte die Digitalisierung. Aktuell übernimmt sie als strategische Gesamtprojektleiterin die Leitung von konzernübergreifenden Sonderprojekten.

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