§ 35a dVwVfG

Lesezeit: 5 Minuten
von Gabriel Konstantin Kefer | Development Manager bei Invester United Benefits
Magazin: Legal Tech Times 2023, Ausgabe 6


Die Erweiterung des rechtlichen Rahmens vollautomatischer Bescheiderstellung in Österreich und Deutschland.

Die vollautomatische Bescheiderstellung beschreibt behördliche Erledigungen, die ohne Zutun eines Menschen erfolgen. Sie ist ein integraler Bestandteil einer effizienten Verwaltungsführung und in Anbetracht von Millionen zu erlassender Bescheide (insbesondere in der Finanzverwaltung) nicht mehr wegzudenken.
Kritischer Stimmen in der Vergangenheit zum Trotz, die etwa von „Maschinenjustiz“[1] oder „Erniedrigung der Bürger:innen zu Befehlsempfängern von Maschinen“[2] sprachen, ist die vollautomatische Bescheiderstellung fester und zulässiger Bestandteil der Rechtsordnung und Verwaltung in Österreich und Deutschland. In Deutschland ergibt sich die Zulässigkeit vollautomatischer Bescheiderstellung aus dem Gesetz, in Österreich wird sie aus dem Verfassungsrecht abgeleitet und wurde in der Rsp des VfGH bestätigt.[3]
Die automatische Bescheiderstellung in Deutschland
In Deutschland existiert mit § 35a dVwVfG eine Norm, die den automatischen Erlass eines Verwaltungsaktes (= eines Bescheides) zulässt, wenn weder Ermessen noch ein Beurteilungsspielraum bestehen und ein Gesetz ihn vorschreibt. Bei der Norm handelt es sich also nur um eine Ermächtigung an den Gesetzgebenden, vollautomatische Bescheiderstellungen in jenen Materien vorzusehen, in denen weder Ermessen noch Beurteilungsspielraum bestehen.
§ 35a dVwVfG hat daher kaum eine eigenständige Bedeutung, insbesondere wird die Verwaltung dadurch nicht zur automatischen Bescheiderstellung ermächtigt, vielmehr muss sie der Gesetzgebende eigens vorsehen.
In Österreich gibt es keine derartige positivierte Ermächtigung für den GesetzgebendenStattdessen hat der VfGH aus der Bundesverfassung abgeleitet, dass für die Bescheiderstellung keine einzelfallbezogene unmittelbare Willensbildung eines Organs erforderlich ist, sondern diese auch ex ante für eine Vielzahl von (automatischen) Bescheiderstellungen antizipiert werden kann.[4] Die Bescheiderstellung ist daher auch vollautomatisch, ohne Zutun eines Menschen möglich. Die behördliche Erledigung muss nur auf den Willen eines Menschen rückführbar sein.[5] Das Erfordernis der einzelfallbezogenen Genehmigung nach § 18 Abs 3 AVG[6] entfäll...

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