Bon Voyage! – Digitalisierungsreise

Lesezeit: 5 Minuten
von Sophie Martinetz | Legal Tech Expert & Founder of Future-Law
Magazin: Legal Tech Times 2022, Ausgabe Sommerspecial


Viele Legal Tech Tools wurden aus der Not heraus in der Home-Office Zeit der letzten Jahre angeschafft und verwendet. Das ist toll, denn viele haben die Vorteile erkannt. Der Nachteil ist, dass nun die ersten Kilometer der Digitalisierungsreise in einem Sprint gelaufen wurden, der für viele zur Erschöpfung geführt hat, und nun steht man mittendrin keuchend an der nächsten Weggabelung. Welchen Weg soll man nun als nächstes einschlagen?

Wer reist, soll auch rasten! Nicht nur um neue Energie zu tanken, sondern um sich zu orientieren. Eine Verschnaufpause zwischendurch ist sehr wertvoll, denn sie schafft Zeit zur Reflexion: Wo wollen wir auf unserer Legal Tech Reise eigentlich hin? Welchen Weg wollen wir einschlagen, um unser Ziel zu erreichen? Bzw. sind wir noch auf Kurs? Was haben wir aus den letzten Jahren gelernt und was können wir nun besser machen? Was sind heute unsere Bedürfnisse und wo tut es uns weh? Wie ist unsere Arbeit aufgeteilt, was lässt sich in der täglichen Arbeit der Rechtsabteilung digitalisieren? Diese initiale Definition der Bedürfnisse ist ein besonders wichtiger Teil, der im Idealfall noch vor dem Start der Digitalisierungsreise geklärt werden sollte. Schließlich möchte man auch nicht am Strand in der Südsee feststellen, dass ein Skiurlaub dieses Jahr doch eigentlich besser gewesen wäre. Den Startpunkt könnten aber auch Überlegungen dahingehend darstellen, woher der Druck zur Digitalisierung eigentlich kommt. Ob z.B. aus dem Management, aus den eigenen Reihen, von den internen Klient:innen? Damit lässt sich schon ungefähr abschätzen, ob man in die Karibik fährt oder es doch eher der kältere Norden wird.

Ist man hingegen ziellos aufgebrochen, wie es die Bedingungen der letzten Jahre für viele notwendig gemacht haben, kommt man auch zu einem späteren Zeitpunkt irgendwann nicht mehr umher, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, um nicht zum ewig reisenden Nomaden zu werden, sondern schließlich auch anzukommen.

Flugtickets nicht vergessen!

Gerade die vorbereitenden Maßnahmen sind, wie auch beim Packen für den Urlaub, für jedes Legal Tech Projekt wichtig: Denn was man vergisst einzupacken, hat man beim Ankunftsort nicht dabei! Viele Dinge kann man ja in der Urlaubsdestination nachkaufen, aber wie bei IT-Dienstleistern gilt: Jede nachträgliche Änderung kostet Geld und sie zieht oft einen Rattenschwanz an weiteren Änderungen und damit auch Aufwand mit sich. Also: „lieber haben, als brauchen“ ist hier das geflügelte Wort! Gerade als Rechtsabteilung ist man zudem oft exponiert im Unternehmen, daher gilt es, die Inhalte für ein ausgewähltes Tool auch gut aufzubereiten – z.B. Vertragsmuster etc. Nichts kann enttäuschender sein, als vor einem Tool zu sitzen und es in diesem Moment dennoch nicht konkret anwenden zu können. Wie am vielfältigen all-Inklusive Buffet im Robinson Club, das sich vor Ort dann doch als rein vegan herausstellt.

Route besprechen!

Das bringt uns zum Thema Erwartungsmanagement. Jurist:innen sagen oft über sich selbst, dass sie schlechte Kommunikator:innen wären. Wie bei Fremdenführer:innen ist es jedoch wichtig, nicht nur Wissen zu besitzen, sondern dieses auch bewusst und gezielt an die Frau / den Mann weiterzuleiten. Gleichzeitig müssen Weg und vor allem das Ziel im Auge behalten werden. Das ist die Aufgabe bei der Implementierung und der Veränderung, die mit der Einführung eines digitalen Tools einhergeht. Die Kommunikation wird sehr oft unterschätzt, weshalb es meist auch keine Pläne zur konkreten Umsetzung gibt. Der Mythos hält sich leider hartnäckig, dass Kommunikation so nebenbei funktionieren würde. Ganz im Gegenteil handelt es sich jedoch um eine Hauptaufgabe! Ein Plan, der die Inhalte, die Kommunikationskanäle, die Sendungsfrequenz und dann auch die Redaktionen berücksichtigt. Als Reiseführer:in geht man voran und die Tourist:innen-Gruppe hinterher. Das bedeutet auch Sichtbarkeit, die Jurist:innen nicht immer gewohnt sind und nicht immer mögen.

Next Stop: Roll-Out

Startpunkt der Legal Tech Implementierungsreise ist schließlich der Bahnhof „Legal Tech Roll Out“. Die darauffolgende Strecke ist manchmal recht kurvig und unterwegs kann es schon auch einmal unangenehm werden, denn nun wird das Tool wirklich zu den Benutzer:innen „gelassen“ und viele Abschnitte müssen angepasst werden. Der Roll-Out als Teil der Implementierung ist wie Inselhopping in Griechenland – jeden Tag eine neue Insel bzw. ein neues Team, das das Legal Tech Tool nutzt und Feedback dazu abgibt. Es braucht viel Vorbereitung und Planung, um die richtige Fähre, zur richtigen Uhrzeit, zur richtigen Insel zu planen.

Erfolgreiche Ankunft

In Vorbereitung dazu empfiehlt sich ein Reiseführer zum Thema „Changemanagement“: mit einem Ausblick und Handlungsempfehlungen dazu, was einen bei jeder Station des Weges erwartet und was berücksichtigt werden muss, damit Mitarbeiter:innen gut durch das unbekannte Umfeld kommen und lernen, wie sie das Legal Tech Tool ausreichend und Mehrwert (!) stiftend benutzen können. Individuelles Training ist dafür fundamental. Denn die Einführung eines Tools ist ja auch eine Veränderung der Arbeitsweise. Und Veränderung ist immer Bewegung und bedeutet auch Verunsicherung. Sind alle Mitreisenden zufrieden, braucht es eine Pause oder drückt gar der Schuh? Das Einfordern regelmäßiger Rückmeldungen ist auch bei unserer Digitalisierungsreise relevant. Und noch viel mehr –  natürlich die Berücksichtigung und Einarbeitung dieses Feedbacks.

Nach der Ankunft am finalen Bahnhof vergisst man vielleicht einen Koffer oder muss sich beeilen, aber der Zug ist schon einmal gut angekommen und der Ausblick auf neue Eindrücke und Informationen ist groß…

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