Die Zukunft der Rechtsabteilung: Maximales Potenzial durch Legal Tech 

Lesezeit: 7 Minuten


Ein Beitrag von Fiona Konetzky 

 
Warum sind viele Rechtsabteilungen noch in überholte Strukturen verwickelt, während allerorts die Digitalisierung voranschreitet? Sind manuelle Prozesse und überfüllte E-Mail-Postfächer wirklich noch zeitgemäß? Mit etwas Mut, Vision und technischem Know-how können wir mit Legal Tech nicht nur die Effizienz steigern, sondern auch die Rolle der Rechtsabteilung im Unternehmen neu definieren. 

Meiner Erfahrung nach schätzen die meisten Jurist:innen strukturiertes Arbeiten und damit verbundene Prozesse. Vor allem in der Rechtsabteilung ist eine geordnete Vorgehensweise unerlässlich, um die Vielzahl an Aufgaben effizient zu bewältigen. Das betrifft nicht nur die interne Organisation der Rechtsabteilung, sondern auch die Interaktion mit anderen Abteilungen, die auf die Unterstützung der Jurist:innen angewiesen sind. 

Moderne Rechtsabteilungsleiter:innen streben danach, sich als „Business Enabler“ zu verstehen, anstatt als hemmender Faktor wahrgenommen zu werden. Ziel ist es, dass andere Abteilungen die Rechtsabteilung aktiv einbinden, anstatt sie zu umgehen. Hierfür sind innovative und auf das Geschäft ausgerichtete Prozesse von entscheidender Bedeutung. 

Das Legal Tech Potenzial

In Rechtsabteilungen gibt es zahlreiche sich wiederholende und administrative Aufgaben, die viel Zeit in Anspruch nehmen, jedoch oft keine juristische Expertise erfordern. Dazu gehören die Aufnahme und Verwaltung neuer Aufgaben und Fälle, die Erstellung von Verträgen anhand von Vorlagen, die Unterzeichnung und Archivierung von Verträgen, die Erfassung von Metadaten für juristische Dokumente, die Berichterstattung über die Leistung der Rechtsabteilung sowie die Beantwortung wiederkehrender juristischer Fragen von Kolleg:innen an die Rechtsabteilung. 

Der Einsatz von Legal Tech ist in diesem Kontext ein echter Game Changer. Wer sich einmal mit seinen bestehenden Prozessen und den damit verbundenen Herausforderungen auseinandergesetzt hat und nach technischen Lösungen sucht, wird feststellen, dass es heutzutage für nahezu alles ein passendes Tool gibt. Da das Budget jedoch begrenzt ist, stellt sich schnell die Frage: Wo soll man beginnen? 

Automatisieren Sie die langweiligen Aufgaben! 

Wie in vielen anderen Rechtsabteilungen auch, machen die Erstellung, Überprüfung, Verhandlung und Verwaltung von Verträgen einen Großteil unserer Arbeit aus. Als ich meine Tätigkeit bei Adverity, damals noch ein Start-Up, als erste Juristin aufnahm, wurden diese Prozesse – sofern sie überhaupt vorhanden waren – fast ausschließlich manuell durchgeführt. 

Vertragsnutzer:innen mussten die Vertragsvorlage aus einem gemeinsamen Laufwerk kopieren und den Vertrag dann nach den Bedürfnissen anpassen. Dabei kam es oft unbeabsichtigt zu Änderungen an der Vorlage. Selbst wenn dies nicht geschah, konnten Kolleg:innen praktisch den gesamten Vertragstext nach Belieben bearbeiten. Häufig wurden obligatorische Informationsfelder vergessen. Manchmal wurde ich um juristische Überprüfungen gebeten, in anderen Fällen wurden Verträge ohne vorherige interne Genehmigungen an Kunden oder Dritte verschickt. Kommt Ihnen das bekannt vor? 

70% Automatisierung: Wie ein Vertragsmanagementtool den Unterschied macht 

Mein beruflicher Alltag und die Prozesse meiner Abteilung wurden erheblich effizienter, nachdem ich ein Vertragsmanagementtool implementiert habe, das den gesamten Lebenszyklus eines Vertrags abdeckt (Contract Lifecycle Management/CLM). Dies umfasst die Erstellung von Vertragsvorlagen und Verträgen, die Überprüfung des Vertragsinhalts und die Genehmigung durch die entsprechenden Stakeholder, die digitale Unterzeichnung des Vertrags, die anschließende Archivierung und die Speicherung von Metadaten zum Vertragsinhalt sowie die Erstellung von Erinnerungen für den Ablauf oder die Erneuerung eines Vertrags. All diese Prozesse können durch den Einsatz eines Tools abgedeckt werden. Dadurch gewinnt die Rechtsabteilung Zeit und kann sich auf ihre eigentlichen juristischen Aufgaben konzentrieren, wie beispielsweise Vertragsverhandlungen. 

Ist ein CLM einmal implementiert, sollte man es kontinuierlich auf Optimierungspotenzial überprüfen, um Business Usern (z.B. Vertrieb, Account Management, Marketing, HR, IT usw.) so viel Handlungsspielraum wie möglich zu geben. Gibt es Klauseln in Ihren Standardverträgen, die häufig gestrichen oder geändert werden müssen, ohne dass dies juristische Expertise benötigt (z.B. automatische Vertragsverlängerung, Nennung des Kundennamens für Marketingzwecke usw.)? Dann automatisieren Sie diese!

CLM & KI 

Die meisten CLM-Anbieter haben dieses Jahr Künstliche Intelligenz (KI) in ihre Systeme eingebunden, um das volle Potenzial der Prozessoptimierung auszuschöpfen. Haben Sie ein Legal Playbook für Vertragsverhandlungen? Integrieren Sie dessen Inhalt in das CLM und sparen Sie Ihren Kolleg:innen Zeit bei der Überprüfung von Verträgen. Möchten Sie Metadaten von bereits bestehenden Verträgen erheben? Laden Sie diese in ihr CLM und lassen Sie die KI den Rest für Sie erledigen. Gespannt verfolge ich, welche neuen Anwendungsgebiete sich in diesem Zusammenhang noch entwickeln werden.  

Durch die ständige Verbesserung bestehender Prozesse haben wir im August 2023 einen neuen Rekord verzeichnet: 70% aller Verträge wurden voll automatisiert abgewickelt, sprich ohne dass die Rechtsabteilung involviert werden musste. 

Abschied vom Gruppen-E-Mail-Postfach: Das neue Zeitalter der Aufgabenverwaltung 

Zu Spitzenzeiten erhalten wir in der Rechtsabteilung fast 200 Arbeitsaufträge pro Monat. Verträge, die geprüft werden mussten, Fragen zum Datenschutz, die Erstellung von Richtlinien, Anfragen unserer HR-Abteilung zu arbeitsrechtlichen Themen und vieles mehr. Mein Team besteht aus 7 Personen, von denen jede für unterschiedliche Themen und Aufgaben zuständig ist. Ohne ein automatisiertes Legal Intake & Case Management Tool hätten wir wahrscheinlich viel Zeit verschwendet oder Aufgaben vergessen. 

Bevor ich bei Adverity angefangen habe, war es bei anderen Arbeitgeber:innen üblich, dass Aufgaben über ein Gruppenpostfach per E-Mail eingereicht wurden. Abgesehen davon, dass in diesem System Aufgaben oft in der Flut von E-Mails untergehen, können sie nicht nachhaltig verwaltet, bearbeitet und für Berichtszwecke genutzt werden.

Legal Intake & Case Management 

Der Einsatz eines Tools für Legal Intake & Case Management bietet so viele Vorteile für die Rechtsabteilung, dass sich die Implementierung selbst dann lohnt, wenn man alleine für die juristischen Angelegenheiten verantwortlich ist. 

Kolleg:innen können ein maßgeschneidertes Formular für die Rechtsabteilung ausfüllen, in dem die wesentlichen Eckdaten des Auftrags enthalten sind und Anhänge hinzugefügt werden können. Dadurch wird automatisch eine Aufgabe erstellt. Diese Aufgaben können klar kategorisiert und automatisch der entsprechenden Expertin zugewiesen werden. Metadaten wie Prioritätsstufen, Fristen, Stakeholder, Rechtsgebiet und vieles mehr werden anhand der Eingabe in das Formular kategorisiert und ermöglichen die Suche und Filterung von Aufgaben. Mithilfe von Berichtsfunktionen können wertvolle Einblicke in die Arbeitsaufträge gewonnen werden, die neue Potenziale zur Optimierung und Automatisierung von Prozessen aufzeigen können. 

Ein Beispiel: Wenn immer wieder dieselbe datenschutzrechtliche Frage von einem Team gestellt wird, bietet dies die Möglichkeit zu untersuchen, warum das der Fall ist. Ist eine Richtlinie nicht klar formuliert? Fehlen Informationen? Könnte eine maßgeschneiderte Schulung für das andere Team Abhilfe schaffen? Dies ermöglicht es der Rechtsabteilung, proaktiv und nicht nur reaktiv ihre Prozesse und Aufgaben zu gestalten, um das Unternehmen bestmöglich zu unterstützen.

Fazit: Go with the Legal Tech Flow! 

Moderne Jurist:innen von heute sollten definitiv den Status quo aller ihrer Prozesse in Frage stellen und sich mit technischen Lösungen auseinandersetzen. Die Möglichkeiten zur Verbesserung unserer Arbeitsweise sind enorm. Es ist schwer nachzuvollziehen, warum so viele Rechtsabteilungen noch genauso arbeiten wie in den 1990er Jahren. 

Die bisher genannten Prozesse mit großem Legal Tech Potenzial bilden nur die Spitze des Eisberges. Seit der Implementierung meines ersten Legal Tech Tools war mir klar, dass damit noch lange nicht alles abgedeckt ist. Es gibt noch viele weitere Prozesse und Anwendungsbereiche, in denen wir die technischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts nutzen können, um einen noch besseren Beitrag für unsere Unternehmen zu leisten. Diese Erkenntnis führte dazu, dass ich Anfang 2022 ein eigenes Legal Operations Team gegründet habe. Dieses Team ist dafür verantwortlich, die Rechtsabteilung mit Hilfe von Legal Tech, Prozessen und Projektinitiativen bestmöglich auf die Bedürfnisse des Unternehmens auszurichten. Die dadurch gewonnene Effizienz war bereits nach einigen Wochen sichtbar und trägt nachhaltig zum Erfolg unserer Abteilung bei.  

Insgesamt ist die Auseinandersetzung mit Legal Tech in der Rechtsabteilung meiner Ansicht nach unausweichlich und wird sie unsere juristische Tätigkeit auf das nächste Level heben. 

 

Autoreninfo:
Fiona Konetzky ist VP Legal & Compliance bei Adverity GmbH (www.adverity.com), leitet dort seit 2019 die Legal & Compliance Abteilung bestehend aus einem Legal Counsel Team und einem Legal Operations Team 

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