WIENER ZEITUNG: Anwaltsbriefe von der KI

Lesezeit: 4 Minuten
von Sophie Martinetz & Kristina Hofer
Presse: Wiener Zeitung


ChatGPT wird die zukünftige Arbeit in den Rechtsabteilungen verändern. Darüber herrscht wohl kein Zweifel. Grund zur Panik? Nein, aber nutzen Sie die Vorteile für sich!

Außer ChatGPT gibt es bereits viele andere, gute Tools für Rechtsabteilungen, die mit Artificial Intelligence die Arbeit erleichtern und verbessern. Mehrere Studien zeigen in diesem Zusammenhang, dass Technologieführerschaft (im Sinne vom Einsatz von Legal Tech Tools) auch auf Bereiche wie Kundenzufriedenheit, die Möglichkeit gutes Personal einzustellen und zu halten oder mehr Spezialisierung einzahlen. Es lohnt sich also, sich damit zu beschäftigen.

Was kann aber nun ChatGPT? Aufgebaut ist ChatGPT als Chatbot, also einem textbasierten Dialogsystem bei dem im Hintergrund Eingaben bewertet, klassifiziert und dann in einem auf Wahrscheinlichkeiten beruhendem Modell verarbeitet werden. ChatGPT erstellt dann Texte, die klingen, als wären sie von Menschen geschrieben. So hilft ChatGPT beispielsweise bei der Erstellung oder Beantwortung von eMails. Gibt man die Argumente als Vorlage ein, verfasst ChatGPT einen freundlichen Text dazu. Oder erstellt Erstentwürfe von Dokumenten oder Verträgen.

Große Datenmengen in kurzer Zeit analysieren

Auch in der juristischen Recherche unterstützt ChatGPT bereits heute, indem in kurzer Zeit große Datenmengen durchsucht und analysiert werden können. Juristen bekommen dadurch schnell einen guten Überblick über ein Thema oder eine Rechtsfrage. Die Beantwortung von Rechtsfragen direkt an Nicht-Juristinnen ist noch mit Vorsicht zu genießen. Aber ChatGPT beschleunigt die Antwortfindung für Juristinnen, die diese dann als Antwort an Nicht-Juristinnen geben können.

Zu Rechtsfragen gilt, dass ChatGPT zwar sehr gut deutsch versteht und schreibt, sich aber inhaltlich – aufgrund des bisher erfolgten Trainings – besser im deutschen als im österreichischen oder schweizer Recht auskennt. Stellt man also eine Rechtsfrage auf deutsch, greift ChatGPT zuerst auf deutsches Recht zurück. Wichtig daher der Hinweis bei der Eingabe, dass sich die Frage – ggfs. – auf österreichisches Recht bezieht. Das macht natürlich in Dialogform auch Spass, da man auf die eigene Frage sofort wieder eine Antwort erhält.

Eine Zusammenarbeit mit juristischen Verlagen und deren Daten besteht dabei momentan nicht. Zukünftig ist bei ChatGPT ein Quellverweis angedacht, eine Möglichkeit die vermutlich die Attraktivität einer Datenweitergabe für die Verlage erhöht. 

Richtig spannend wäre es, insbesondere auch Rechtsfragen, das Wissen der Rechtsabteilung im Sinne von früheren Auskünften oder früherer Recherche in ChatGPT einfließen zu lassen, um dann darauf basierende (oder zumindest inhaltlich konsequente) neue Antworten zu bekommen. Technisch ginge das und grundsätzlich übernimmt ChatGPT eingegebene Daten heute nicht zur (eigenen) Weiterverwendung. Aber… im neuesten GPT-Modell gibt es eine Variante, die mit dem sogenannten Continual Learning-Ansatz auf Basis der Inputs von Nutzern das Modell erweitert. Datenschutz lässt also grüßen und gerade aus Mandantenschutzvorgaben ist Vorsicht geboten. Zukünftig wird es jedoch die Möglichkeit von „Private ChatGPTs“, sogenannten Enterpriselösungen, geben.

Intransparente Entscheidungen

Kann man denn allen Antworten und Ergebnissen von ChatGPT vertrauen? Hmm, dazu gibt es vor allem zwei große Unsicherheiten. Einerseits die sogenannte Halluzinationsrate, die im Moment bei ChatGPT auf 15-20% geschätzt wird. Kann ChatGPT also eine Frage oder Aufforderung nicht beantworten „erfindet“ ChatGPT eine Antwort (die sprachlich durchaus ehr realistisch klingt, darauf ist das System ja programmiert!), statt das Nicht-Wissen „zuzugeben“. Dies ist heute in ChatGPT vor allem aus Marketinggründen so eingestellt, aber auch um aus den Nutzer-Reaktionen das System zu verbessern. Die zweite Unsicherheit ist die Intransparenz über die im System getroffenen Entscheidungen. Man erfährt also nicht, auf welcher Basis eine Antwort gegeben wird.

Zusammenfassend kann ChatGPT also Rechtsabteilungen bereits bei mehreren, oft als mühsam empfundenen, Aufgaben unterstützen. Dabei übernimmt ChatGPT die erste, grobe Arbeit wobei es dann JuristInnen erfordert für den Feinschliff oder Details. Und jemanden, der die Ergebnisse von ChatGPT kritisch hinterfragt – noch.

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