JUVE MAGAZIN: Künstliche Intelligenz fordert die Rechtsbranche heraus

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von Raphael Arnold | Leiter JUVE Magazin/Österreich
Presse: JUVE Verlag | Moderne Zeiten


Künstliche Intelligenz und darauf aufbauende digitale Werkzeuge entwickeln sich rasant weiter. Auch die Rechtsbranche muss sich darauf einstellen, nicht nur im Hinblick auf Datensicherheit und Vertraulichkeit.

Am Düsseldorfer Kunstpalast bilden sich kleine Trauben von Besuchern. Das Haus empfiehlt, für die Ausstellung ‚Machine Hallucinations‘ Tickets vorab zu buchen. Denn das Interesse ist enorm an Refik Anadols LED-Wänden, die eine künstliche Intelligenz (KI) errechnete. 

Groß ist das Interesse an KI auch in der Rechtsbranche, wo deren Einsatz mit der Hoffnung verknüpft ist, unübersehbare Datenmengen effektiv zu durchleuchten und Routineaufgaben mit weniger Aufwand zu erledigen. Dem gegenüber steht die Vertraulichkeit – ein Versprechen, das Juristen in Unternehmen und Kanzleien zurecht hochhalten. In der digitalen Welt heißt das auch: Daten­schutz und Datensicherheit. 

Code geteilt

Was schief gehen kann, zeigt das Beispiel Samsung Semiconductor. Nach Medienberichten gestattete das Unternehmen intern den Einsatz von Chat­GPT. Doch innerhalb von 20 Tagen gelangten mehrfach sensible Informationen an das Sprachmodell, darunter Programmcode und Geschäftsinterna.

Deshalb rät Alexandra Ciarnau, Co-Leiterin des Bereichs ‚Digital Industries‘ bei Dorda, zu großer Vorsicht beim Einsatz von Large-Language-Modellen wie ChatGPT. Ein hilfreicher, künftiger Schritt für Unternehmen könnte ihrer Ansicht nach der Einsatz von skalierbaren Enterprise-Lösungen ohne flächendeckende Nutzung von Inputdaten für Trainingszwecke sein. Erste Versuche damit könnten Microsoft und OpenAI, das Unternehmen hinter ChatGPT, in Europa im Herbst starten, so Harald Leitenmüller, CTO von Microsoft Österreich.

Fantasie reicht weiter

Leitenmüller machte in einer Videokonferenz von Future Law Mitte April zu den Auswirkungen von ChatGPT deutlich, dass die kommende, fünfte Version von GPT „um vieles besser“ sein wird als GPT4, worauf ChatGPT aktuell basiert. Andere Varianten von KI sind bereits auf Beratungsdienstleistungen ausgerichtet und entsprechend leistungsfähiger. 

Dr. Christian Öhner, Global Legal Technology Leader bei PwC Legal, hat etwa die KI-Plattform ‚Harvey‘ vor Augen. Er hält sie schon jetzt für „viel besser als ChatGPT“, weil sie auf die Beratungsbranche zugeschnitten sei. PwC Legal werde sie in nächster Zeit intern einrichten. Allen & Overy kooperiert schon seit Anfang 2023 mit Harvey.

Gerade so bestanden

Abgesehen von der Sicherheit stellen sich jedoch auch Fragen der Qualität. In aller medialer Aufmerksamkeit ging unter, dass ChatGPT Jus-Prüfungen an der University of Minnesota zwar bestand – aber gerade so. Unter anderem weil sich das System schwer damit tat, die Falldaten in den verlangten Essays zu berücksichtigen und die richtigen Querverweise heranzuziehen. Ähnliches berichtete ein Wiener Anwalt, der sich von Chat­GPT die GmbH-Gründung erklären ließ. Anhand des gelieferten Texts stellte er fest: Das Tool nutzte wohl zu einem Gutteil deutsche Quellen. Wichtig ist also, dass ein KI-System auf eine exzellente, rechtssichere Datenbasis zurückgreift.

Dass eine künstliche Intelligenz kein Urheber im rechtlichen Sinn ist, steht indes fest. „Nur eigentümliche menschliche Schöpfungen sind geschützt“, sagt Ciarnau von Dorda. Auf die geistige Leistung als Kriterium für wissenschaftliche Qualität wies auch Mathias Vicherat hin, Präsident des Institut d’Etudes Politiques. Die französische Elitehochschule untersagte im Jänner, ChatGPT bei schriftlichen und mündlichen Leistungsnachweisen einzusetzen, ohne dass dies kenntlich gemacht ist. 

Potential und Grenzen

Vicherat forderte in einem Beitrag auf LinkedIn zudem, die universitäre Lehre zu überdenken und Studierende auf KI-Werkzeuge vorzubereiten. Denn sie müssten deren Potential und Grenzen kennen. In dieses Horn stößt auch Dr. Axel Anderl, Managing-Partner bei Dorda: „Vielen fehlt die Medienkompetenz, um künstliche Intelligenz mit einem kritischen Blick zu nutzen“, sagt Anderl. „Der Umgang damit muss deshalb in der Ausbildung von Juristen an der Universität verpflichtend werden.“

Dass nicht jeder Einsatz von KI das Vorstellungsvermögen sprengt, zeigen die Videoinstallationen von Refik Anadol ebenfalls. Wer jemals Pigmente in einen vollen Eimer mit weißer Farbe eingerührt hat, kennt den Effekt. Jedenfalls im Kleinen.

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