Legal Tech: Selber machen oder von der Stange kaufen?

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Auf der Suche nach einer dauerhaften, guten Lösung in der Rechtsabteilung oder Kanzlei.

Also nur, um das noch einmal festzuhalten: Die Digitalisierung ist hier, um zu bleiben. Aber immerhin 45 Prozent der mehr als 120 befragten Kanzleien und Rechtsabteilungen haben laut einer Future-Law-Umfrage vom September 2021 noch keinen Plan, wie sie ihre eigenen Prozesse digitalisieren und Legal Tech für sich nutzen wollen. Sollten Sie zu den anderen 55 Prozent gehören, also schon einen Plan und ein Bild haben, was Sie von einem Legal Tech Tool erwarten, dann stehen Sie vielleicht gerade vor der Entscheidung, ein Tool auszuwählen. Zwei Möglichkeiten tun sich auf: erstens ein Produkt, das auf dem Markt ist, zu kaufen.

Dazu benötigt man Zeit, um dieses genau zu evaluieren. Hat es die Dokumenten Management Funktionen und Ablage, die Sie brauchen, sind die Arbeitsabläufe und Freigabeprozesse ohne fremde Hilfe erstellbar, können E-Mails aus dem System verschickt und automatisch gespeichert werden ? Wie funktioniert die Suchfunktion, und gibt es auch eine integrierte digitale Signaturmöglichkeit? Bei der Klärung dieser Fragen passiert es Juristinnen und Juristen oft, dass die bestehenden Systeme nicht perfekt den Ablauf und die Gewohnheiten abbilden, die sie gewöhnt sind.

Darum entscheiden sich Rechtsabteilungen und Kanzleien, ein eigenes Legal Tech Tool zu bauen. Diese zweite Option bedeutet allerdings nie, dass das Tool wirklich kostengünstiger ist, aber es ist genauso, wie man es sich vorstellt – meistens zumindest. Sollten Sie diesen Weg wählen, ist zu empfehlen, dass Sie viel interne Zeit und Ressourcen dafür allozieren. Denn jeder Prozessschritt muss von Ihnen als „Domain Owner“ definiert und dem Unternehmen, das Ihr Tool baut, erklärt werden. 80 bis 90 Prozent sind hier rasch erledigt, die meiste Arbeit wartet dann in den restlichen 5 bis 20 Prozent – denn hier geht es um die wichtigen Kleinigkeiten.

Aufwand wird meist unterschätzt

Der Aufwand für diese Projektentwicklungsphase wird meist unterschätzt, und der Frust in dieser Zeit wird immer größer. Es geht oft auch darum, neue Wege zu beschreiten und durchaus auch gewagte Entscheidungen zu treffen, Abstimmungsrunden zu ziehen und ein (zeitliches und finanzielles) Budget einzuhalten. Eine solche unternehmerische Person braucht man jedenfalls im Team.

Große Kanzleien entwickeln tolle Systeme, überlegen aber dann, ihre Legal Tech Tools auch im freien Markt auszugründen und zu verkaufen. Das ist eigentlich die dritte Option: und hier gibt es viele Vorteile – allerdings aus Erfahrung nur dann, wenn ein Tool von Anfang an für „den freien“ Markt auch schon mitkonzipiert ist. Der enorme Vorteil ist, dass das Legal Tech Tool natürlich immer weiterentwickelt wird und viele Anwenderinnen und Anwender viel Input haben. Zweitens erwirtschaftet ein am Markt genutztes Tool auch Umsatz für den Tool Betreiber, und es gibt mehr Budget, um ein Tool dauerhaft am Leben zu erhalten.

Aus meiner Erfahrung ist Option eins oder drei eine der nachhaltigeren Entscheidungen, weil der Wettbewerbsvorteil vielleicht nicht so lange anhält, aber eine dauerhafte, gute Lösung in der Rechtsabteilung oder Kanzlei genutzt werden kann. Die Sorge, dass früher oder später alle Kanzleien Legal Tech einsetzen, ist berechtigt. Die Schlussfolgerung daraus ist aber nicht, dass Legal Tech nicht wichtig ist, sondern, dass sie dabei unterstützt, die beratende Tätigkeit noch besser erbringen zu können.

Dieser Beitrag erschien als Gastkommentar in der Wiener Zeitung vom 04.11.2021 und ist ebenfalls hier online nachzulesen

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