Die Arbeitsrechts-Kanzlei und ihr Legal Tech Potenzial
6. Dezember 2023
Die Kombination von Expertise und Innovation: Die Zukunft des Arbeitsrechts durch Legal Tech
Ein Gastbeitrag von Armin Popp
Das Potenzial von Legal Tech in der Arbeitsrechts-Kanzlei ist unbestreitbar. Egal, ob es sich um eine kleine bis mittelständische Boutique-Kanzlei oder das Arbeitsrechtsteam einer großen Full-Service-Kanzlei handelt, die Abläufe und Prozesse sind vielfach vergleichbar und oft von manuellen und repetitiven Arbeitsschritten geprägt, welche einen hohen Zeit- und Ressourcenverbrauch mit sich bringen. Ein Bedarf an Optimierung, welche durch den Einsatz von Legal Tech Tools erreicht werden kann, ist zweifelsohne vorhanden.
Ressourcenintensive Erstellung von Verträgen
Einen dieser ressourcenintensiven Prozesse stellt die Erstellung von Verträgen dar. Vertritt man als Arbeitsrechts-Kanzlei die Arbeitgeberseite zeichnet sich die alltägliche Arbeit oftmals durch den Entwurf von diversen Vertragsmustern aus. Gleichgültig, ob es sich um die Erstellung von Dienst- oder Geschäftsführerverträgen, Betriebsvereinbarungen oder etwa einvernehmlichen Auflösungen handelt. Oftmals werden diese Verträge in stundenlanger Arbeit händisch erstellt oder aus alten Vertragsmustern die zentralen Bausteine herausgepickt und individuell an die Wünsche und Bedürfnisse der jeweiligen Mandant:innen angepasst.
Verfügt die Kanzlei überdies über kein strukturiertes und zentrales Vertragsmanagement werden dabei vielfach Klauseln nur aus den ehemals selbst erstellten Verträgen herausgesucht und unter Umständen übersehen, dass Kollegen bereits in deren Mustern ähnliche Vereinbarungen verwendet haben.
Ist der Vertrag schlussendlich erstellt und an den/die Mandant:in weitergeleitet, ist dieser meistens nur auf eine konkrete Situation anwendbar und bei etwaigen Änderungswünschen nicht flexibel durch den/die Mandant:in selbst abänderbar. Ändert sich etwa der auf ein Dienstverhältnis anwendbare Kollektivvertrag oder soll der/die Mitarbeiter:in ab nun Mehr- und Überstunden nicht mehr gesondert ausbezahlt bekommen, sondern einen All-In-Vertrag erhalten, muss der verwendete Vertrag in vielen Fällen an die Kanzlei „zurückgesendet“ und um Adaptierung der entsprechenden Klauseln ersucht werden. Dies ist nicht nur für den/die Mandant:in in vielen Fällen mühsam, sondern führt auch dazu, dass Anwält:innen zeitaufwendige Arbeitsschritte über mehrere Etappen verteilt erledigen müssen. Dies kann sowohl zu einem Zeit- als auch Qualitätsverlust führen.
Effizienz- und Effektivitätspotenzial durch automatisierte Vertragserstellung
Abhilfe schaffen können hier Legal Tech Tools, welche eine automatisierte und zentralisierte Vertragserstellung, -verwaltung und -überwachung ermöglichen. Durch die Automatisierung von wiederkehrenden Aufgaben und die Bereitstellung vorgefertigter Vorlagen erleichtern diese Tools die Erstellung von Verträgen erheblich, wodurch sowohl Zeit als auch Ressourcen eingespart werden können. Durch den Zeit- und Qualitätsgewinn wird wiederum mehr Freiraum für soziale Interaktionen und kreative Problemlösungen geschaffen.
Aufgebaut sind diese Tools dabei oftmals nach demselben Schema. Der/die User:in muss entweder diverse Fragen beantworten, wie etwa, ob es ein befristetes oder unbefristetes Dienstverhältnis sein oder einem Geschäftsführer eine Einzel- oder Gesamtvertretungsbefugnis eingeräumt werden soll und das System fügt im Hintergrund den Vertrag nach einer Art „Baukastensystem“ zusammen. Den fertigen Vertrag bekommt der/die User:in erst nach vollständiger Beantwortung sämtlicher Fragen zu Gesicht.
Bei anderen Systemen wird dem/der User:in der Vertrag sofort präsentiert und kann diese:r durch das Anklicken von Auswahlfeldern Klauseln entfernen oder hinzufügen. Oftmals sind dabei die Klauseln in Verbindung zueinander gesetzt, sodass die Auswahl der einen die Verwendung der anderen ausschließt.
Die Wissensdatenbank an Vertragsklauseln wird dabei entweder durch die Software selbst zur Verfügung gestellt oder durch den/die User:in eigens durch die Einspielung seiner eigenen Klauseln angelegt.
Zentrale Wissensdatenbank
Die Verwendung solcher Vertragserstellungstools ermöglicht es Kanzleien eine zentrale Wissensdatenbank in ihrem System aufzubauen, welche für sämtliche gängigen Vertragstypen eine automatisierte Vorlage aufweist, die in wenigen Minuten auf den jeweiligen Sachverhalt angepasst werden kann und repetitive Arbeitsschritte obsolet werden lässt.
Gerade in mittelständischen Kanzleien, in welchen für gewöhnlich Akten ausschließlich von einem/einer Jurist:in betreut werden und dieser/diese in die Akten der/die Kolleg:innen selten einen Blick hat, kann eine solche zentrale Wissensdatenbank einen Know-how Verlust verhindern und dazu beitragen, dass innerhalb der Kanzlei ein standardisiertes Vertragsmuster verwendet wird, welches auf sämtliche Eventualitäten anpassbar ist.
Verfügt das Tool zusätzlich noch über die Funktion, dass das Baukastensystem an den/die Mandant:in weitergegeben werden kann, ist es diesem/dieser möglich, den vorgefertigten Vertrag selbst noch flexibel mit den von der Kanzlei integrierten Klauseln im Bedarfsfall anzupassen.
Diese Tools helfen Kanzleien dabei, den gesamten Lebenszyklus von Verträgen effektiv zu verwalten. Zusätzlich kann sich durch die Verwendung dieser Tools die Qualität der Verträge verbessern, da sich die Compliance bereits durch die intelligente Verbindung der Klauseln zueinander ergibt. Werden Gesetze novelliert oder neue erlassen, muss auch nicht mehr eine Vielzahl von Verträgen angepasst werden, sondern nur mehr die jeweils spezifische Klausel im Datenmodell des Systems.
Als Anbieter derartiger Vertragserstellungs-Software können etwa die deutschen Unternehmen LAWLIFT und Legal OS oder das österreichische Startup Konzierge genannt werden. Alle drei genannten zeichnen sich durch etwas differenzierte Herangehensweisen und unterschiedliche Schwerpunktsetzungen aus.
Wettbewerbsvorteil durch Legal Tech
Die Zukunft des Vertragsmanagements und der -erstellung wird vermutlich durch die kontinuierliche Entwicklung und Implementierung immer effizienterer und besser an die Bedürfnisse der User angepasster Vertragserstellungstools geprägt sein, welche sich künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen bedienen, um Prozesse noch weiter zu optimieren und zu vereinfachen. Kanzleien, welche für die Erstellung ihrer arbeitsrechtlichen Verträge auf automatisierte Vertragserstellungstools setzen, werden voraussichtlich einen Wettbewerbsvorteil erzielen und eine höhere Effizienz in ihrem gesamten Vertragsmanagement erreichen.
Autoreninfo:
Armin Popp ist Rechtsanwalt in der auf Arbeitsrecht spezialisierten Kanzlei Littler und beschäftigt sich dort neben dem Arbeitsrecht vor allem mit den Themen Digitalisierung, künstliche Intelligenz und Legal Tech.