Leadership und Urlaub

Lesezeit: 5 Minuten
von Wernetta Eberhardt


Gastbeitrag

„Und – waren Sie schon weg auf Urlaub?“, lautet eine beliebte Einstiegsfrage bei geschäftlichen Meetings in diesen Tagen.

Führungskraft zu sein, fordert viel von uns, im Home und Office, online und offline – gerade in Zeiten wie diesen. Unabhängig davon, ob wir als Leiterin einer Rechtsabteilung, Jurist im Unternehmen oder als Partnerin oder Rechtsanwalt in einer Rechtsanwaltskanzlei tätig sind, als gute Führungskraft ist uns bewusst, dass wir mehrere Rollen haben, die wir erfüllen müssen: Wir sollen Visionär*in, Koordinator*in und zugleich Coach für unsere Mitarbeitenden sein und selbst mit gutem Vorbild vorangehen.

Wir müssen Lösungen für Probleme in unseren Organisationen, für unsere Klient*innen, Kund*innen – und auch unsere eigenen finden. Dies noch dazu: „am besten gestern“, kostenneutral, nachhaltig, schnell und agil, mit dem effizientesten Tool am Markt und unter Anwendung des in der Organisation zwar neu, aber dennoch nur halbfertig eingeführten Systems.

Das Gebot ist: Funktionieren! Den Alltag „managen“! Alles erledigen: Bis zum Urlaub.

Und dann, sind wir im Urlaub. Endlich! Das Gebot ist nun: Loslassen! Entspannen! Alles er-leben: bis der Urlaub wieder vorbei ist.

Oft wartet nach dem Urlaub noch mehr Arbeit auf uns als zuvor. Macht Urlaub daher überhaupt noch Sinn? Zumal man ja nie mit der Arbeit fertig wird. Und was hat all dies mit Leadership zu tun?

Manchen von uns gelingt es tatsächlich Urlaub zu nehmen, im Urlaub anzukommen und die Arbeit loszulassen. Dies passiert meist dann, wenn wir uns dabei ertappen, dass plötzlich Ruhe im „Hirnstübchen“ eingekehrt ist. Die Probleme sind wie weggefegt. Es tritt diese Stille in uns ein.

Jener Moment, wenn der Blick ohne Ablenkung auf den schönen österreichischen Bergsee, unsere am Strand tobenden Kinder oder vielleicht sogar auf den eigenen Atem und Herzschlag gerichtet ist. Dann geschieht etwas Besonderes und Essentielles: Wir treten wieder in Kontakt: mit uns und unserem Umfeld. Wir er-leben.

Wer das Lied „Tag am Meer“ von den Fantastischen Vier kennt – am besten in der Unplugged Version, wird dies vielleicht noch etwas besser nachempfinden können:

„Du atmest ein, du atmest aus.
Dieser Körper ist dein Haus und darin kennst du dich aus.
Du lebst, und das wird dir bewusst,
ohne nachzudenken, nur aufgrund der eigenen Lebenslust.
(…)
Das Leben wie noch nie in Harmonie und genießt. Es gibt nichts zu verbessern.
Nichts, was noch besser wär.
Außer dir im Jetzt und Hier.
Und den Tag am Meer.“

Die Fantastischen Vier

Ins Bewusstsein eintauchen, Ideen entwickeln, Lösungen für Probleme entstehen lassen, geht nur, wenn ich ganz klar in Verbindung mit mir selbst bin: mit meiner Wahrnehmung, meinem „G’Spür“ und meiner Weisheit, die ich durch all meine Erfahrungen gewonnen habe.

So wie Einstein sagt: “Sie können ein Problem niemals auf der Ebene lösen, auf der es erstellt wurde.“

Um Führungskraft (und Mensch) zu sein – und vor allem zu bleiben, braucht es daher mehr als die Kapazität des Verstandes und die Fähigkeit zum rationalen Denken. Dies belegt auch die moderne Hirnforschung. „Je komplexer die mit Hilfe der Ratio gestaltete Lebenswelt wird, je stärker sich das Spektrum der Handlungsmöglichkeiten des Menschen erweitert, desto mehr versagt das rationale Denken, wenn es darum geht, komplexe Zusammenhänge zu erfassen und sinnvolle (…) Entscheidungen zu treffen“ predigt Gerald Hüther in vielen seiner Werke.

Es braucht die Fähigkeit, wieder mit unseren Gefühlen in Kontakt zu treten. Diese Einheit von Denken, Fühlen und Handeln, von Rationalität und Emotionalität, von Verstand, Körper und Seele wieder in sich herzustellen und wahrzunehmen. Es braucht dies, um vom Funktionieren wieder ins (Er)leben zu treten. Und dann erst, aus diesem erlebten Bewusstsein, neue Lösungsebenen zu finden – für unsere Organisationen, unsere Klient*innen, unsere Kund*innen und – für uns selbst.

Es braucht grundlegende Leadership Fragen, um grundlegende Leadership Entscheidungen treffen zu können, um zu gestalten. Fragen jenseits des Grübelns und Wälzens von Problemen, wie beispielsweise: Wo stehe ich? Bin ich auf einem guten Weg? Was brauchen meine Mitarbeitenden und die Organisation, in der ich wirke? Welchen Beitrag will und kann ich leisten? Bin ich Gestalter*in oder Getriebene*r meines Lebens?

„When you make a choice, you change the future.“

Deepac Chopra

Dort wollen wir hin. Als Führungskraft und als Menschen: Aktive Gestalter*innen unseres Lebens und Umfelds zu sein und einen Beitrag für unsere Organisationen zu leisten, der mehr ist, als bloß ein Problem zu lösen.

Darum müssen wir Urlaub nehmen. Gerade dann, wenn die Arbeit kein Ende findet.

Erst, wenn es uns gelingt, uns unserer Ganzheit wieder bewusst zu werden, werden wir auch als bessere Führungskräfte nach dem Urlaub in die Arbeit zurückkehren.

Ergo, frage ich Sie: Und, waren Sie schon weg auf Urlaub – und wieder bei sich?

Eine schöne Urlaubszeit wünscht Ihnen,

Wernetta

Dr.in Wernetta Eberhardt ist Leadership Coach für Persönlichkeits- und Teamentwicklung von Jurist*innen und Anwält*innen. Als ehemalige Rechtsanwältin, langjährige Leiterin der Rechtsabteilung eines international tätigen Konzerns und Repräsentantin des internationalen Berufsverbands hat sie ein tiefes Verständnis für die Lebensrealität und Herausforderungen der Menschen in der Rechtsbranche. Mit Herz und Verstand bestärkt, inspiriert und begleitet Wernetta nun ihre ehemaligen Berufskolleg*innen wieder mit sich selbst in Verbindung zu treten, authentische Leadership Kompetenzen zu entwickeln und so ein erfüllendes berufliches wie privates Leben und Umfeld zu gestalten.

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