LegalTech in Österreich: Die Digitalisierung der Justiz im Jahr 2023 und Ausblick auf 2024 

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Ein Beitrag von Alma Zadić 

Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich LegalTech als Schlüsselelement in der Evolution der österreichischen Justiz etabliert. Die kontinuierliche Integration von Informations- und Kommunikationstechnologie hat die Effizienz von Rechtsverfahren und -dienstleistungen maßgeblich gesteigert. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die neuesten Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung der Justiz in Österreich und bietet zudem einen Ausblick auf die geplanten Initiativen. 

Die Automatisierung und Beschleunigung von Verfahren durch Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) stellt in der österreichischen Justiz bereits seit den 80er Jahren eine maßgebliche Zielsetzung dar und kann als Erfolgsgeschichte bezeichnet werden (bereits 1980 wurde das Grundbuchsumstellungsgesetz beschlossen, das die Grundlage für die elektronische Führung des Grundbuches bildet). Als besonderer Faktor kann dabei hervorgehoben werden, dass rechtliche Regelungen und technische Umsetzung stets gemeinsam geplant wurden und somit zu effizienten Lösungen geführt haben. Im Jahr 2023 und darüber hinaus stehen in konsequenter Fortsetzung dieses Weges weitere signifikante Entwicklungen und Schwerpunkte bevor. 

Strategische Initiative Justiz 3.0

Seit 2013 verfolgt das BMJ mit der strategischen Initiative Justiz 3.0 das Ziel, die digitale Verfahrensführung an Gerichten und Staatsanwaltschaften in sämtlichen Verfahrensarten einzuführen. Dank einer angemessenen Finanzierung und ausreichendem Personal konnten mittlerweile große Fortschritte erzielt werden. Somit konnte schon 2022 das strafrechtliche Ermittlungsverfahren an allen Staatsanwaltschaften inklusive der angeschlossenen Haft- und Rechtschutzrichter:innen vollständig digitalisiert werden.  

Vorantreiben der Verfahrensdigitalisierung

In diesem Jahr konnte die Umstellung des gesamten Strafverfahrens mit allen Gerichten vollzogen und auch das digitale Zivilverfahren flächendeckend an jedem Bezirksgericht eingeführt werden. Zusätzlich startete 2023 auch die Pilotierung des digitalen Mahnverfahrens, welche mittlerweile erfolgreich abgeschlossen und in den Rollout übergeführt werden konnte. Das gleiche Ziel soll auch noch heuer mit dem digitalen Exekutionsverfahren erreicht werden. Ein besonderer Fokus liegt darüber hinaus auf der Umstellung der Rechtsmittelverfahren an den Oberlandesgerichten sowie auf der durchgängigen Digitalisierung der dort geführten Justizverwaltungsverfahren, deren Umstellung uns wohl noch bis ins Jahr 2024 beschäftigen wird.  

Ausbau von JustizOnline

Parallel dazu wurde dieses Jahr die Plattform JustizOnline erneut ausgebaut. So können mittlerweile audiovisuelle Aktenbestandteile direkt über die dort angebotene Akteneinsicht per Streaming abgerufen werden und ein eigener IWG-Bereich ermöglicht die Nutzung der dort öffentlich bereitgestellten Daten im Wege zeitgemäßer Schnittstellen entlang der Vorgaben des Informationsweiterverarbeitungsgesetzes und der Open Government-Data Strategie des Bundes. 

Ausbau des Einsatzes von IT-Expert:innen

In diesem Jahr hat die Justiz nicht nur ihre Bemühungen zur Digitalisierung von Verfahren verstärkt, sondern auch den IT-Expert:inneneinsatz in Strafverfahren weiter ausgebaut. Damit sollen insbesondere die Staatsanwaltschaften in sogenannten Cybercrime Verfahren mit IT-Expertise unterstützt und damit die Herausforderungen in einer immer digitaler werdenden Welt adressiert werden. Angesichts der komplexen und ständig wandelnden Natur von Cyberbedrohungen sind spezialisierte Kenntnisse und fortschrittliche Werkzeuge unverzichtbar, um Staatsanwält:innen auch in der inhaltlichen Verfahrensführung bestmöglich zu unterstützen. 

Mobile App für Gerichtsvollzug

Ein bedeutender Schritt in Richtung Modernisierung und Effizienzsteigerung im Bereich des Gerichtsvollzugs ist die Einführung einer mobilen App für Gerichtsvollzieher:innen. Diese innovative Anwendung ermöglicht es den Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern, ihre Aufgaben auf zeitgemäße Weise zu erledigen und Vollzüge effizienter und digital durchzuführen. Mit dem Ziel, bis zum Ende des Jahres 2023 alle Gerichtsvollzieher:innen auf dieses neue Verfahren umzustellen, wird die Arbeit der Gerichtsvollzieher:innen damit maßgeblich verändert und einer fortschrittlichen Bearbeitung zugeführt.  

Erweiterung des ERV mit der JustizBox 

Als letzter wichtiger Meilenstein im diesjährigen Digitalisierungsprogramm der Justiz ist die Einführung der JustizBox zu nennen. Dieses Instrument hebt die Größen- und Formatbeschränkungen im Elektronischen Rechtsverkehr maßgeblich an, was die reibungslose Übermittlung von Dokumenten und sonstigen Dateiformaten erleichtert. Die JustizBox wird dazu beitragen, Medienbrüche und Übergaben von physischen Datenträgern zu reduzieren und die Effizienz in der Zusammenarbeit zwischen Justizdienststellen und externen Verfahrensbeteiligten erheblich zu verbessern. Die JustizBox wird dafür sowohl im klassischen ERV mit berufsmäßigen Parteienvertreterinnen:Parteienvertretern und Partnerinnen:Partnern über deren Software als auch im Wege von JustizOnline verfügbar sein. 

Ausblick auf die Digitalisierungsschwerpunkte im kommenden Jahr 2024 

Auch für das Jahr 2024 hat sich die Justiz ambitionierte Ziele im Bereich der Digitalisierung gesetzt. Die geplanten Maßnahmen werden die Justiz weiter modernisieren und insbesondere den Bürgerinnen und Bürgern zeitgemäße Dienstleistungen bieten. Eingeordnet in ein Gesamtportfolio von voraussichtlich rund 70 IKT- und Digitalisierungsprojekten sollen im Jahr 2024 folgende Schwerpunkte umgesetzt werden: 

  1. Digitale Aktenführung in Insolvenz- und Außerstreitverfahren: Die Justiz wird ihre Bemühungen fortsetzen, die digitale Aktenführung bis 2025 in allen Verfahren einzuführen und zu diesem Zweck im nächsten Schritt das Insolvenz- und Außerstreitverfahren in Angriff nehmen. Damit werden auch die in diesen Sparten tätigen Mitarbeiter:innen sowie die externen Verfahrensbeteiligte von den Vorteilen der digitalen Aktenführung profitieren.
  2. Abschluss des Rollouts des digitalen Rechtsmittelverfahrens: Das digitale Rechtsmittelverfahren wird flächendeckend eingeführt, um die Effizienz und Zugänglichkeit der Justiz weiter zu steigern. Dieser Schritt wird sicherstellen, dass Zivil- und Strafverfahren über alle Instanzen durchgängig digital und damit reibungslos und medienbruchfrei abgewickelt werden können. 
  3. Justizverwaltungsverfahren am Oberlandesgericht: Die Digitalisierung der Justizverwaltungsverfahren wird auf die Oberlandesgerichte ausgeweitet. Dies wird dazu beitragen, administrative Prozesse in der Justiz zu optimieren und die interne Effizienz zu steigern. 
  4. Vollständiger Rollout der Mahn- und Exekutionsverfahren: Die Digitalisierung der Mahn- und Exekutionsverfahren soll abgeschlossen werden, womit auch in diesen beiden Massenverfahren (mit über 1 Mio. Verfahren pro Jahr) vollständig auf die Anlage von Papierakten verzichtet werden kann. Dies wird die Durchführung von Mahn- und Exekutionsverfahren effizienter und transparenter gestalten. 
  5. Ausbau von JustizOnline: Die Plattform JustizOnline wird weiter ausgebaut, um den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen eine breite Palette von Dienstleistungen anzubieten. Dazu wird die Möglichkeit zur Gebührenzahlung, der Zugang zu Verhandlungsspiegeln und der Zugriff auf Verfahren im Grund- und Firmenbuch geschaffen werden. 
  6. Modernisierung der Ediktsdatei: Die Ediktsdatei, einschließlich der Bereiche für Mediatorinnen:Mediatoren und Ediktalveröffentlichungen, wird weiter modernisiert und in die Plattform JustizOnline integriert. Dies wird die Suche nach Veröffentlichungen und den Zugriff auf rechtliche Informationen und Dokumente maßgeblich vereinfachen. 
  7. ID-Austria Ausweise: Die Einführung von ID-Austria Ausweisen für Sachverständige und Dolmetscher:innen wird eine moderne Identifikation und Zugangskontrolle ermöglichen, ein wichtiger Schritt in Richtung Sicherheit und Authentifizierung in der Justiz. 
  8. KI-Funktionen: Ebenso werden 2024 auch die unterstützenden KI-Funktionen weiter ausgebaut werden, die insbesondere im Rahmen der Neugestaltung der an den Gerichten und Staatsanwaltschaften eingesetzten Verfahrensautomation Justiz eine maßgebliche Rolle spielen und damit zu verbesserten Datengrundlagen bei geringeren Erfassungsaufwänden beitragen soll.  

Fazit: Die Digitalisierung der österreichischen Justiz hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Die kontinuierliche Investition in Technologie und die Zusammenarbeit von Recht und Technik haben dazu beigetragen, dass die Justiz effizienter, zugänglicher und moderner ist. Mit den geplanten Entwicklungen und Schwerpunkten für 2024 wird die Justiz in Österreich weiter an der Spitze der LegalTech-Revolution stehen, um den Bürgerinnen und Bürgern ein zeitgemäßes und effektives Rechtssystem zu bieten. 

Autorinneninfo: 
Dr.in Alma Zadić, LL.M. ist Bundesministerin für Justiz der Republik Österreich. 

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