Bon Voyage: AT&S auf Legal Tech Reisen

Lesezeit: 5 Minuten
mit Julia Stanzenberger | Senior Legal Counsel
Magazin: Legal Tech Times 2022, Ausgabe Sommerspecial


Im Gespräch: Für unser Sommer-Special haben wir mit Vertreter:innen aus 8 Unternehmen über ihre Legal Tech Projekte gesprochen. Darunter Julia Stanzenberger, Senior Legal Counsel bei AT&S, die Ihre ungeschönten Erfahrungen mit uns geteilt hat!


Liebe Frau Stanzenberger: Wie entscheidet man, wo genau Digitalisierung ansetzen soll? Um welchen Nutzen zu erzielen?

Die Vorteile von Digitalisierung sind so vielfältig, dass es schwierig ist, einen konkreten Trigger für die Entscheidung zur Digitalisierung zu definieren. Für uns als Unternehmen kann Digitalisierung im Grunde überall dort ansetzen, wo es am Markt bereits ein technisch geeignetes Produkt für die Digitalisierung eines Vorgangs gibt und dadurch ein signifikanter Mehrwert entsteht. Besonders sinnvoll ist Digitalisierung dann, wenn in einem Prozess ein Potenzial für Effizienz- oder Effektivitätssteigerung realisiert werden kann.

In einer Rechtsabteilung wird besonders viel mit Daten gearbeitet. Je strukturierter diese Daten aufbereitet, verarbeitet und gespeichert werden, desto weniger Zeit benötigen Mitarbeiter:innen z.B. für die Suche nach Dokumenten. Die gewonnene Zeit kann somit in für das Unternehmen wertvollere Tätigkeiten investiert werden. Auch interne Freigabeprozesse, früher oftmals Hürden, die zu gefühlt endlosen Verzögerungen führten, stellen im digitalisierten Prozess kein Problem mehr dar. Freigaben können nun wo und wann auch immer erfolgen und sind obendrein nahezu fälschungssicher. Ähnlich verhält es sich mit der digitalen Unterschrift von Verträgen.

Wie identifizieren Sie dafür Probleme in Ihrem Unternehmen & analysieren Ihre Arbeit in der Rechtsabteilung/im Team?

Als Rechtsabteilung haben wir uns z.B. als Ziel gesetzt, die Durchlaufzeit eines Vertrags vom ersten „Aufpoppen“ eines Bedarfs bis hin zur Unterschrift zu reduzieren. Prima facie drängt sich die Lösung auf, den Mitarbeiter:innenstand aufzustocken, um schneller auf die interne oder externe Anfrage nach einem Vertrag reagieren zu können. Der Contract Review Prozess der AT&S ist bereits in weiten Zügen digitalisiert. Dies hat uns den Vorteil verschafft, genau analysieren zu können, welche Prozessschritte besonders lange dauern und warum dies der Fall ist. Die Analyse ergab, dass die Response-Zeiten (das ist der Zeitraum zwischen der ersten Anfrage und dem Feedback der Mitarbeiter:innen der Rechtsabteilung zum Vertrag) angemessen ausfallen. Verzögerungen ergeben sich demnach aus anderen Gründen. Das Aufstocken der Mitarbeiter:innenanzahl hätte nichts am Grundproblem verbessert. Der Prozess hätte vermutlich nur marginal beschleunigt werden können.

Eine solche Datenauswertung war uns nur durch die bereits seit vielen Jahren konsequent erfolgte Digitalisierung aller zugrundeliegender Daten möglich.

Welche Kriterien haben Sie definiert, um ein Legal Tech Tool für AT&S auszusuchen?

Ausgangspunkt für die Erstellung der IT-Requirements-Liste war ein umfangreicher Workshop mit allen relevanten Stakeholdern des Contract Management Prozesses. Wir haben zuerst den Ist-Prozess selbst – unabhängig von einem Tool zur Unterstützung dieses Prozesses – analysiert und Verbesserungsvorschläge für den Soll-Prozess gesammelt. Danach haben wir den neuen Prozess, selbstverständlich ebenfalls in einem Tool zur Prozessdarstellung, definiert. Im Zuge dieser Vorarbeiten war die Erstellung einer Anforderungsliste für das Legal Tech Tool fast schon ein leichtes Spiel, da ich nur zusammentragen musste, was sich an Anforderungen an das neue Tool schon aus dem Prozess ergab.

Konkret ist für uns wichtig, um nur einige unserer zahlreichen Anforderungen zu nennen, dass mehrere Bearbeiter:innen gleichzeitig am Vertragsdokument arbeiten können und Vertragsversionen, die sich bis zum Vertragsabschluss zuhauf ergeben können, übersichtlich abgelegt werden. Das Tool soll außerdem eine flexible und einfache Anpassung von Bearbeiter:innen und Approver:innen ermöglichen, da sich eine große Unternehmensgruppe in ihrer internen Struktur rasch ändern kann – sei es eine neue Abteilung, die geschaffen wird oder eine Business Unit, die ihre Zuständigkeiten ändert.

Darüber hinaus benötigen wir etliche Schnittstellen zu bestehenden Softwarelösungen anderer Abteilungen. Gerade hier, wo es um die Verlinkung von komplexen Prozessen geht, stößt man ohne eine digitale Lösung schnell an seine Grenzen. Informationen aus dem Vertrag sollen ja in die Organisation „getragen“ werden, also dorthin, wo der Vertrag gelebt wird. Mit einem Legal Tech Tool kann dies automatisch gelingen.

Unsere IT-Abteilung war mit ihren Vorgaben recht zurückhaltend. Die ursprünglich geforderte „on premise“-Lösung wurde zugunsten einer Cloud-Lösung aufgegeben, da es im Grunde keine interessanten Produkte am Markt gibt, die die Datenspeicherung vor Ort anbietet.

Wie bereiten Sie sich nun auf die nächsten Schritte Ihres Projektes vor?

Ich bin gerade dabei, die derzeitige Datenlage zu unserem Nutzerverhalten im bestehenden IT-Tool (einer selbstgebauten Lotus Notes basierten Applikation) aufzuarbeiten, um konkrete Angebote von CLM-Software-Anbietern einholen zu können. Es ist wichtig, genau zu wissen, wie viele Personen einen Contract Review Prozess starten, wie viele an der Vertragserstellung mitarbeiten, wie viele einen Vertrag freigeben werden etc. Für alle diese Varianten gibt es eigene Lizenzmodelle am Markt. Je genauer man also weiß, was man benötigt, desto treffsicherer werden die Angebote ausfallen. Der nächste große Schritt wird dann die Auswahl einer konkreten CLM-Software sein. Parallel starten wir schon die Suche nach einem Implementierungspartner für die neue IT-Lösung. Nach Vertragsabschluss erfolgt die Implementierung. Wann diese genau als abgeschlossen gilt, ob wir hier mit einem Lastenheft arbeiten oder es andere Methoden zur Verifizierung des Vorliegens aller Anforderungen geben wird, kann ich derzeit noch nicht sagen. Ich weiß jedoch, dass danach eine Beta-Phase folgen soll, in der wir das Tool mit ausgesuchten Usern auf Herz und Nieren testen, Fehler hoffentlich früh identifizieren und das Verbesserungspotential heben werden. Gleichzeitig werden wir, soweit möglich, die digitalen Daten aus dem alten Tool in das neue überführen. Was auf der Strecke bleibt, muss wohl in mühevoller Handarbeit bewertet und übertragen werden. Zum Abschluss des Roll-Outs werden gruppenweit die Key User des neuen Tools geschult, die ihrerseits wiederum das Erlernte weitergeben werden.

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