Legal Tech und die Zukunft der Forensik: Künstliche Intelligenz trifft auf Ermittlungspraxis 

Lesezeit: 6 Minuten


Ein Beitrag von Natalie Harsdorf und Kerstin Fachathaler 

Das Thema Digitalisierung beschäftigt schon längst nicht mehr nur privatwirtschaftliche Unternehmen, sondern ist mittlerweile auch im öffentlichen Sektor angekommen. Diesbezüglich sind auch die Anwendungsbereiche bei forensischen Ermittlungen umfangreich. Künstliche Intelligenz und eDiscovery ist dabei nicht nur eine Ergänzung, sondern oft Hauptakteur in der Ermittlungspraxis. 

Die Bundeswettbewerbsbehörde ist hier durch die digitale Kommunikation mit den Gerichten, die Möglichkeit der Online-Anmeldung und Prüfung von Unternehmenszusammenschlüssen, großzügiger Home-Office Regelungen, moderner Video-Konferenzanlagen und allen voran einem hochmodernen Ermittlungssystem zur Verfolgung von Kartellrechtsverstößen als im internationalen Vergleich moderne Behörde anzusehen. Von großer Wichtigkeit ist hier die konstante Weiterentwicklung der Leitung und Mitarbeiter:innen, sowie die Bereitschaft zur Investition in Innovationen. 

Die Bedeutung des digitalen Werkzeugkastens

Die fortschreitende Digitalisierung in immer höherem Tempo und die zunehmende Bedeutung von KI-Anwendungen erfordern auch ein Umdenken bei der Rechtsverfolgung im Allgemeinen, im Besonderen aber auch bei Kartellrechtsverstößen, worauf sich der Artikel in weiterer Folge beziehen wird.  

Wurden früher wettbewerbswidrige Absprachen noch zumeist persönlich und physisch getroffen, oft noch auf Papier festgehalten, haben sich selbige mit der Zeit häufig auf andere Kanäle und Technologien hin verlagert. Hier hat die BWB mit ihren technischen Möglichkeiten der Sicherung von Smart Devices und Cloud Spaces sehr gute Ermittlungsergebnisse erzielen können. 

Mit Hilfe einer breiten Palette an digitalen Werkzeugen ist es uns möglich, sowohl Chats und Emails, als auch gespeicherte und sogar vermeintlich gelöschte Dokumente zu sichern und unseren Ermittlern zugänglich zu machen. Dabei ist es unerheblich, ob die Daten lokal auf den diversen Geräten verfügbar oder in der Cloud gespeichert sind.  

Die BWB konnte über die Jahre sehr viel Erfahrung mit diversen Tools zur Datensicherung sammeln, wobei sich als besonders effizient erwiesen hat, sich nicht auf ein einziges Softwareprodukt festzulegen, sondern pro Anwendungsbereich auf mehrere Hersteller zu vertrauen. Welche Produkte zum Einsatz kommen, ist ständigen Änderungen unterworfen und bedarf kontinuierlicher Tests und Marktbeobachtungen. 

Die gesammelten Beweise werden dann in ein BWB internes modernes und leistungsfähiges eDiscovery-System importiert, das unabhängig von der Datenmenge eine effiziente Ermittlungsarbeit für beliebig große Teams gewährleistet. Dieses System hat sich bereits in mehreren für die BWB wichtigen Fällen bewährt. 

Bei Bedarf kann den Ermittler:innen auch eine KI-gestützte Auswertung zur Verfügung gestellt werden. Das System erkennt hier ein Muster bei den bereits gesichteten und kategorisierten Dokumenten und extrapoliert dies auf den gesamten Datenbestand. Es ist im Nachgang zwar erforderlich, dass ein erfahrener Fallbearbeiter die maschinell eingeordneten Dokumente nochmals sichtet, jedoch wurde in einem ersten Schritt bereits einige Arbeit von der KI erledigt und somit sehr viel Zeit eingespart. 

Betont werden muss, dass es sich in oben genanntem Anwendungsfall um eine rudimentäre KI handelt, die zur Durchführung einfacher Aufgaben herangezogen werden kann. Von zukünftigen KI-Modellen erhoffen wir uns ein weites Feld an Möglichkeiten. 

Digitale Ermittlung im Wandel 

Die forensische Anwendung von KI wird einen Wandel in der Sammlung, Analyse und Darstellung digitaler Beweise herbeiführen. Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen können helfen, Fehler bei der Beweisanalyse zu minimieren, die benötigte Analysezeit erheblich zu verkürzen, ermöglichen im besten Fall auch die Entdeckung neuer Arten von Beweisführung und verbessern zugleich die Darstellung und Erläuterung digitaler Beweise. 

Dies kann die Effizienz von Ermittlungsarbeiten verbessern und so vielleicht Erkenntnisse liefern, die wiederum zu neuen Hinweisen führen. Durch KI werden die Fallbearbeitung auch erheblich entlastet, da Daten automatisch von Onlinequellen abgerufen, analysiert und auf verdächtige Preismuster überprüft werden können. Dies beseitigt die Notwendigkeit mühsamer manueller Analysen mit Tools wie Excel und verbessert die Effizienz der Ermittlungen erheblich. Lange und komplexe Abfragen und Suchmuster, welche derzeit noch von erfahrenen Mitarbeiter:innen kreiert werden müssen, weichen einer natürlichen Sprachverarbeitung. 

Sicherheit und Integrität durch KI 

Aber auch neben der Analyse kann die KI eine entscheidende Rolle bei der Sicherung von Daten spielen. KI-basierte Werkzeuge können eingesetzt werden, um die Datenintegrität zu gewährleisten, die Privatsphäre von Verdächtigen zu schützen sowie das schon derzeit hohe Schutzniveau betreffend personenbezogener Daten weiter zu verstärken. 

Sie kann verwendet werden, um Dokumente zu klassifizieren und zu kategorisieren, was die Verwaltung und Sicherung von Daten erleichtert. Zum Beispiel kann KI Dateien nach Dateityp, Datum, Zweck oder anderen Kriterien ordnen. Dadurch könnte auch das mühsame Aufbereiten der Beweismittel für den Import und die Analyse in anderen Tools wegfallen oder zumindest erleichtert werden. Aber auch beim Finden und Wiederherstellen verlorener oder beschädigter Files kann KI helfen. 

Die KI kann auch im Rahmen der IT-Security verwendet werden, um Anomalien und Bedrohungen in Dateien zu erkennen. Dies kann helfen, Sicherheitsvorfälle zu verhindern oder zu reduzieren. Es passiert häufig, dass sich unter der großen Menge an sichergestellten Beweismitteln einige kontaminierte Dokumente finden. Eine KI kann hier genutzt werden, um auffällige Aktivitäten in Netzwerkverkehrsdaten zu erkennen, oder um ungewöhnliche Muster in Dateien zu erkennen, die möglicherweise Malware enthalten. 

Im Verlust- oder Schadensfall kann die KI, Daten wiederherstellen, die verloren gehen oder beschädigt werden. Dies kann uns helfen, wichtige Dokumente zu rekonstruieren, die für die Beweisführung wesentlich sind. 

Blick in die digitale forensische Zukunft 

In Anbetracht der fortschreitenden Digitalisierung ist zu erwarten, dass die KI in der digitalen Forensik eine immer zentralere Rolle einnehmen wird. Es ist ein vielversprechendes Instrument in der digitalen Behördenforensik und hat das Potenzial, die Aufklärung grundlegend zu verändern. Mit der rasanten Entwicklung der KI-Technologie wird die digitale Forensik immer effizienter und präziser, was sowohl für Ermittler als auch für die breitere Gesellschaft von großem Nutzen ist. 

Diese Ausführungen sollen einen Blick in die Zukunft darstellen und darauf, was wir uns von neuen Technologien erhoffen. Für Ermittlungsbehörden bietet sich jetzt die Möglichkeit, sich zukunftsfit zu machen, sich in einer zunehmend technologisierten Welt zu positionieren und einen wichtigen Schritt voraus zu sein und somit wesentliche Erfolge bei den Ermittlungen erzielen zu können. 


Autorinneninfo (v.l.n.r.): 

Kerstin Fachathaler leitet bei der österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde das Referat für IT-Forensik und Data Science.

Dr.in Natalie Harsdorf-Borsch ist interimistische Generaldirektorin und Leiterin der österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde 

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